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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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versuchte sie in Deckung zu ziehen, doch ihre Schwester wehrte sich wie ein Berserker.
    Die ISAF-Soldaten hatten sich zwischen den ersten Containern verschanzt, feuerten weiter auf die Angreifer.
    »Haben Sie Waffen?«
    Rebecca fuhr herum.
    Merthes. Der Oberst blutete aus einer Platzwunde oberhalb der Stirn, das Blut lief ihm ins Gesicht. Er sah aus wie skalpiert - Haare hatte er ja sowieso keine mehr.
    »Wir haben Pistolen«, knurrte Rebecca.
    Alyssa hatte sich von ihr losgemacht. »Fabio ist irgendwo da vorn!«
    »Und zwei Dutzend meiner Männer!«, brummte Merthes. »Kommen Sie mit!«
    Geduckt huschten sie von Deckung zu Deckung, nutzten den Feuerschutz, den ihnen die Männer zwischen den vordersten Baracken gaben.
    Einer der Aufständischen, der im Begriff gewesen war, sich zwischen den Stacheldrähten hindurchzuzwängen, sackte zusammen, doch sofort war ein anderer zur Stelle. Die ersten Angreifer begannen sich über die Barrikade zu schieben.
    »Das ist unglaublich«, flüsterte der Oberst. »Ich habe noch nie etwas Vergleichbares … Das ist eine konzertierte Aktion!«
    Eher eine Invasion , dachte Rebecca. Doch das traf es nicht. Sie waren hier die Invasoren. Die Fremden. Die Besatzer. Diese Menschen konnten es nicht anders sehen.
    »Warum tun sie das gerade jetzt?«, murmelte Rebecca.
»Das kann kein Zufall sein! Sie müssen doch auch Probleme haben durch die Grippe. Wie können sie …«
    »Sie kriegen die Grippe nicht«, brummte Merthes.
    »Selbst dann …«, begann Rebecca, hielt plötzlich inne. » Was sagen Sie?«, fragte sie scharf.
    Der Oberst achtete kaum auf sie. Er tastete in seiner Armeemontur. Vielleicht suchte er ein Funkgerät - oder neue Munition.
    »Sie kriegen die Grippe nicht«, murmelte er. »Sie müssen immun sein. Oder sie haben irgendein beduinisches Hausmittel. Scheißgottverdammt, egal! Sie kriegen sie eben nicht.«

Canons Park, Edgware, England
    »Daaaa-ha-ha-ha-hath exteeend!« Eine Pause. »Daaaa-ha-ha-ha-hath exteeend!« Eine Pause.
    Amadeos Zeigefinger massierten seine Schläfen. Er konnte es nicht mehr hören. Styx hatte sich im Schneidersitz im Schatten einer Baumreihe niedergelassen und wiederholte wieder und wieder ein und dieselbe, wenige Takte umfassende Passage. Längst hatte der Restaurator Händels Büchlein wieder einpacken können - selbst er konnte die Melodie inzwischen auswendig.
    »Daaaa-ha-ha-ha-hath exteeend!« Der Bassist schüttelte den Kopf. »Ich kann den Händel nicht finden.«
    »Sie meinen, es ist diesmal kein Zitat aus einer seiner eigenen Kompositionen?«, fragte Amadeo müde. »Von jemand anderem vielleicht, etwas Älteres? Monteverdi? Oder aus England … Thomas Tallis? Purcell?«
    »Nein.« Verwirrt sah Styx ihn an. »Ich meine, ich kann nicht finden den Händel . The handle .«

    »Die Handhabe. Sie können es nicht einordnen, meinen Sie?«
    »Right.« Der Bassist nickte. »Ich bekomme nicht gefasst, was es bedeutet, obwohl ich die Stelle recht vom Beginn erkannt habe. Sie ist von Händel, aber sie ist nicht von einem oratory diesmal, sondern von einer Oper, die händelt von der Kaiserin Agrippina bei den alten Römern. Da ist ein instrumentaler Part, der geht genau so.«
    Mit geschickten Fingern griff er eine kurze Melodie.
    Amadeo wechselte einen Blick mit dem commandante . Styx hatte recht. Die Melodie war identisch - nur klang sie bedeutend angenehmer in den Ohren, wenn er sie auf den Saiten seines Instruments zupfte, anstatt sie zu singen.
    Amadeo seufzte. Immer wieder ging sein Blick hinüber zu der Dunkelheit über dem Häusermeer der City. Sie schien sich zu verstärken, näherzurücken, wann immer er für einen Moment nicht hinsah.
    »Nein, das ist wirklich eine Freude!«
    Amadeo fuhr herum, doch da war nichts. Oder es war doch etwas da, nur nicht auf seiner Augenhöhe: Das Etwas war ein Jemand, ein Persönchen, das vielleicht eins fünfzig maß, eisgraue, zu einem Dutt gebundene Haare hatte und ein seltsam altersloses Gesicht, abgesehen von einem Netz von Lachfalten rund um die Augen. Mit einem Taschentuch tupfte sich die Frau imaginäre Tränen ab, trompetete dann hinein.
    »Verzeihen Sie«, murmelte sie auf Englisch. »Ich fürchte, jetzt hat es mich auch erwischt.«
    Amadeo nickte mitfühlend. Es - sie, die Grippe - würde noch viele Menschen erwischen.
    »Ich hatte schon überlegt, ob ich überhaupt vor die Tür gehen sollte«, sagte die alte Frau seltsam gut gelaunt. »Aber eigentlich fühle ich mich noch nicht besonders schlecht

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