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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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spitzenbesetzten Kleidern, mit ihren eleganten Hüten!«
    Wie selbstverständlich hatte sie sich beim commandante eingehängt, paradierte die ersten Schritte auf der bewussten Strecke entlang. Alte Damen besaßen ein besonderes Faible für Geistliche - Amadeo kannte das von seiner Mutter.
    »Die nächste Stelle!«, wisperte Styx ihm zu. »Dort, wo es liest carved in the shoulder of the mount . Die Melodie ist ein Ausschnitt aus dem Triumphmarsch aus Händels Giulio Cesare ! Stellen Sie vor, wie das geschaut haben muss zu seiner Zeit, wenn sie über die Bühne stolziert sind, Caeasar und Sesto und Cornelia und ihr Gefolge. Genau das, was die Matrone wiedergibt!«
    Duarte sah über die Schulter zurück. Er musste die Worte gehört haben. Amadeo machte eine wedelnde Handbewegung.
Bloß weitergehen! Die Frau war ihre Rettung! Fröhlich plapperte sie weiter, schnäuzte sich hin und wieder in ihr Taschentuch, bis der commandante aus den Falten seiner Soutane eine Packung Kleenex zum Vorschein brachte.
    »Ist es nicht herrlich hier, Hochwürden?« Die Dame strahlte selig. Vermutlich hatte sie nicht einmal bemerkt, dass Duarte kein anglikanischer Geistlicher war, sondern römisch-katholischer Priester. »Diese Strecke ist mein Nachmittagsspaziergang. Wir haben einen Verein gegründet zur Pflege der historischen Gartenanlagen. Wie kommt es, dass Sie sich gerade unseren schönen Park ausgesucht haben für Ihre Schnitzeljagd? Wirklich eine wunderhübsche Idee! Machen Sie eine Fortbildung für Kirchenmusiker?«
    Duarte murmelte etwas, das Amadeo nicht verstehen konnte, doch offenbar stellte es die Dame zufrieden. Munter plauderte sie fort, während sie der einstigen Whitchurch Avenue folgten, die heute nicht mehr war als ein Flanierweg an den Gehölzen entlang. In seinem Kopf konnte Amadeo förmlich vor sich sehen, wie Händel hier im Gefolge des Duke langspaziert war - leise vor sich hin kichernd, ganz wie ihre betagte Führerin, während er in Gedanken die einzelnen Versatzstücke seines musikalischen Codes zusammenmontierte.
    »Wie geht es denn weiter in der Partitur?«, flüsterte Amadeo an den Bassisten gewandt. »Haben Sie das im Kopf?« In seiner Jacke suchte er nach dem Büchlein.
    »Ich denke, dass ich die verbleibenden Zitate identifiziert habe«, wisperte Styx. »Und dass ich jetzt begreifen kann, was sie zu uns sprechen. Können Sie das erspähen dort vorne, auf der linken Handseite? Die kleine Erhöhung? Dieser Hügel ist nicht von den Kräften der Natur entstanden, sondern weil man dort Tote begraben hat rund um die Kirche Jahr um Jahr, sodass der Boden sich getürmt hat. Deshalb
schaut es heute oft, als ob sich Kirchen würden erheben auf Hügeln.«
    »Ich hörte davon«, murmelte Amadeo. »Das ist die Kirche, zu der der Duke mit seinem Gefolge gepilgert ist?« Das Laub war noch zu dicht, um etwas zu erkennen.
    »Right. Und rund um die Kirche sind Gräber und eine Mauer um diesen Grabeshof, sodass es Sinn macht, wenn Händel erneut eine Phrase aus dem Belshazzar zitiert zu den Worten: Estranged, never to be found . Es ist die Stelle kurz vor dem Ende des oratory , wo der König Cyrus dem Krieg Einhalt gebietet: Destructive war, thy limits know. Here, tyrant death, thy terrors end. «
    »Die Grenzen des Todes«, murmelte der Restaurator. »Die Friedhofsmauer!«
    »Right! Und da ist ein besonderes Grab auf diesem Kirchhof, das den Leib von William Powell beherbergt, der gesagt wird, dass er der Harmonious Blacksmith gewesen ist.« Ein irgendwie ungesundes Glitzern lag plötzlich in den Augen des Gothicmusikers. »Könnte es sein gar, dass wir müssten ergraben den Leichnam am Ende?«
    »Bitte nicht schon wieder«, stöhnte Amadeo.
    Verwirrt sah der Bassist ihn an.
    Amadeo schüttelte den Kopf. »Überlegen Sie lieber, was im Rest der Partitur noch versteckt sein kann: And lo! Behold that stony arc / that leadeth t’ward an ancient dark. / Thou shalleth keep this stuff disguised / until the things to come arrive. Das ist noch eine Menge Text, und wenn ich das richtig im Kopf habe, wird das meiste mehrfach wiederholt. Da kann der Friedhof doch noch nicht das Ende sein!«
    »Viele Leute sagen, dass der Friedhof ist das Ende«, erwiderte Styx etwas eingeschnappt. »Wobei in diesem Fall …«
    »Saint Lawrence!« Ihre Führerin und der commandante waren stehengeblieben. »Ein mittelalterlicher Bau in seinen
Ursprüngen, doch der Duke of Chandos hat die Kirche umgestaltet, als er Händel dort als Organisten einsetzte.

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