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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Zitate gestoßen war, war noch lang - sie umfasste den gesamten Rest der Partitur bis zum dramatischen Finale: Thou shalleth keep this stuff disguised / until the things to come arrive.
    Amadeo blickte über die Weite der Gartenanlage. Die Schatten waren länger geworden, reckten sich über die Rasenfläche wie phantomhafte Giganten. Und der ferne Dunst über der City war nun mehr als eine bloße Ahnung. Er war düsterer geworden, bedrohlicher.
    Until the things to come arrive , dachte Amadeo. Wie lange würde es dauern, bis die Heimsuchungen in den Straßen Londons auch auf diesen noch friedlichen Winkel der Themsestadt übergriffen? Die Dunkelheit … Um nichts in der Welt wollte er hier draußen von ihr überrascht werden.

Camp Marmal, Afghanistan
    »Warum zum Teufel hast du nichts von dieser Inschrift erzählt?« Rebecca sprach gedämpft. Sie war sich nicht sicher, wie laut man draußen hören konnte, was in diesem Blechkasten geredet wurde, den Oberst Merthes ihnen als Gästequartier zugewiesen hatte. »Warum hast du sie uns nicht gezeigt ? Irgendwelche Ablichtungen oder was weiß ich! Wenn ein Mensch das lesen kann, dann ist es Amadeo!«

    Alyssa war dabei, ihr Gepäck in einem Spind zu verstauen. Fabio Niccolosi hatte man einen Blechsarg weiter einquartiert. Die Frauen waren allein in dem mit Etagenbetten ausgestatteten Container. Rebecca wehrte sich gegen die Bilder aus Südamerika, die unweigerlich in ihrem Kopf auftauchten. Zu sehr erinnerte dieser Raum an die Unterkunft, die die beiden Schwestern im Lager der Rebellen miteinander geteilt hatten.
    »Ich hatte meine Gründe.« Alyssa schien mit einer schwarzen Kapuzenjacke zu reden, die sie auf einem der Zwischenböden ablegte. Mit zwanzig hatte Rebecca darüber gelächelt, wenn sie beobachtete, wie ihre kleine Schwester ihren Stil kopierte. Später, nach Alyssas Verrat, hatte sie gelernt, die Erinnerung daran zu hassen.
    Die blonde Frau drehte sich um. »Mit jedem Wort, das ich vorweggenommen hätte, hätte ich ihn beeinflusst, seine Gedanken in eine bestimmte Richtung gelenkt.«
    »Na und? Wenn es die richtige Richtung ist?«
    »Das wissen wir aber nicht«, widersprach Alyssa. »Ich verstehe den Text noch etwas detaillierter, als ich Stoltenbeck verraten habe, doch er ist trotzdem alles andere als eindeutig. Die Inschrift markiert eine Grenze: eine Grenze zwischen dem Land, das Menschen betreten dürfen, und dem Land, in das sie nicht hineindürfen.«
    »Ist ja ganz passend«, murmelte Rebecca. »Wenn sich jetzt niemand mehr hintraut.«
    »Es ist kein Zufall, dass sie sich dort oben verstecken.« Alyssa drehte sich um und blickte auf eine Wand des Containers. Richtung Gebirge, dachte Rebecca. Ally hatte schon immer den besseren Orientierungssinn gehabt. »Diese Berge sind eine Art heiliger Ort für sie.«
    Rebecca nickte. »Das Grab des Ali meinst du. Unten in der Stadt.«

    Alyssa schüttelte den Kopf. »Die Berge meine ich. Natürlich sind die Afghanen seit Jahrhunderten Muslime - bis auf ein paar tausend Hindus und Sikhs. Doch dieses Land ist anders. Der Islam hat vielleicht überdeckt, was vorher da war, doch er hat es nicht verschwinden lassen - und das ist kein Widerspruch. Das ist wie auf Haiti, wo man gläubiger Katholik sein kann und gleichzeitig Voodoo praktiziert. Oder wie in Irland, wie …« Ihre Stimme veränderte sich, um eine Winzigkeit nur. »Wie Mama, die zu Halloween den Geistern immer eine Schüssel Milch hingestellt hat.«
    Rebecca blickte auf der Stelle zur Seite. Sie wollte mit dieser Frau nicht über ihre Eltern sprechen!
    »Genauso ist es in Afghanistan.« Schon klang Alyssa wieder wie vorher. »Die Leute feiern bis heute das Newroz , das Neujahrsfest der alten Perser, sie verehren den Weihrauch wie ihre Vorfahren vor dreitausend Jahren - und ein paar Sachen, die noch eine ganze Ecke seltsamer sind. Und dort oben gibt es etwas, das sie aus irgendeinem Grund besonders verehren - oder fürchten. Wahrscheinlich beides.«
    »Weil dort das Heilmittel versteckt ist«, sagte Rebecca leise. »In der Dunkelheit. Und sie fürchten den Ort, weil er vielleicht irgendwie gesichert ist, mit Fallen oder sonstwas - wie die Grabkammern in den Pyramiden, oder …«
    »Es kann das Heilmittel sein«, fiel Alyssa ihr ins Wort. »Oder etwas völlig anderes. Wir haben nicht die Spur eines Beweises. In diesem ganzen Land gibt es keinen Stein, der nicht irgendwie verflucht oder verhext ist. Aber du hast keine Chance, etwas darüber zu erfahren, wenn du

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