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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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keiner von ihnen bist. Schon gar nicht, wenn du einer von uns bist. - Wir sind nicht einfach nur Fremde«, murmelte sie, und wieder sah sie die oberflächlich verkleidete Blechwand an. »Fremde in einem fremden Land. Wir sind Besatzer. Diese Menschen haben so viele Besatzer gesehen, so viele
Leute, die es doch angeblich gut mit ihnen gemeint haben. Und uns sollen sie auf einmal glauben?«
    »Wie lange bist du schon hier?« Gegen ihren Willen stellte Rebecca fest, dass sie das tatsächlich interessierte. Etwas an Alyssa hatte sich verändert. Sie würde nie wieder das kleine Mädchen sein oder die Kampfgefährtin aus Südamerika, doch sie war auch nicht mehr die Frau, die sich der CIA in die Arme geworfen hatte, während die Rebellen um ihr Leben kämpften.
    »Vier Jahre.« Alyssa wandte ihr den Rücken zu. »Mit Unterbrechungen. Lange genug, um ein bisschen was mitzukriegen. Im Grunde bekommt man es sehr schnell mit. Die Männer da draußen - die Männer und Frauen, die Soldaten -, sie wissen es alle. Sie tun ihr Bestes. Sie wollen den Leuten hier im Land helfen. Ihnen helfen, sich ein besseres, ein friedlicheres Leben aufzubauen, doch es wird schlimmer von Jahr zu Jahr. Und wenn du ständig damit rechnen musst, dass aus irgendeinem Fenster jemand auf dich schießt: Irgendwann …«
    »Irgendwann schießt du zurück«, murmelte Rebecca.
    Alyssa nickte, noch immer von ihr abgewandt. »Oder du schießt als Erster. Du kommst hierher mit deinen großen, menschheitsbeglückenden Idealen, um die Menschen zu etwas zu machen, zu etwas … das sie nicht sind. Das sie nicht sein wollen und auch nicht plötzlich sein werden in ein oder zwei Monaten. Oder Jahren. Oder Jahrzehnten.«
    »Die Conquistadoren«, sagte Rebecca nachdenklich. »In Mittel- und Südamerika. Cortez, Pizarro … Ich glaube nicht, dass sie es von Anfang an böse gemeint haben. Sie wollten den Leuten wirklich etwas geben, den Azteken, den Inka. Den wahren Glauben ihrer Kirche, den Segen ihrer überlegenen Zivilisation. Aber wirklich überlegen waren nur ihre Waffen.«

    »Siehst du?« Jetzt endlich drehte sich Alyssa wieder um. »Und ist der Unterschied so groß? Natürlich haben die Taliban diese Menschen unterdrückt. Natürlich haben sich die Stämme ständig Scharmützel geliefert. Aber ist es besser geworden? Kann es besser werden, solange du die Leute nicht in etwas verwandelst, was sie nicht sind? Etwas, von dem vielleicht wir selbst uns nur einbilden, dass wir es sind? Etwas Besseres? Sie werden niemals …« Alyssa brach ab, schien zu lauschen.
    Rebecca sah sie fragend an, aber im gleichen Moment hörte auch sie das Geräusch: ein hoher, pfeifender Laut, dessen Frequenz sich in Sekundenschnelle weiter in die Höhe schraubte.
    »Runter!«, brüllte Alyssa.
    Rebecca war bereits im Begriff gewesen, sich zu Boden zu werfen, doch schon erschütterte die Wucht der Detonation den Metallwürfel. Ein Stuhl knallte um. Die Kleidungsstücke, die Alyssa eben erst einsortiert hatte, wurden aus dem Spind geschleudert, doch die Schränke selbst, die Betten, waren fest in den Wänden verankert. Rebecca krallte sich am Bettgestell fest, blieb auf den Beinen.
    Alyssa war schmerzhaft auf die Knie gestürzt, richtete sich ächzend wieder auf. Mühsam versuchte sie zu Atem zu kommen. Noch immer war ein Pfeifen in der Luft, unterschiedliche Frequenzen, die einander überlagerten.
    »Das Camp wird angegriffen«, knurrte Rebecca. »Und das sind nicht nur ein, zwei Raketen.«
    Auf den Spind gestützt hielt sich Alyssa auf den Beinen, fingerte ihre Pistole hervor. Ein dunkler Fleck breitete sich in Kniehöhe auf ihrem rechten Hosenbein aus. Laute Stimmen von draußen, eilige Schritte, erste Schüsse, neue Detonationen, ein Stück entfernt diesmal.
    »Wir müssen raus!«, flüsterte Rebeccas Schwester. »Der
Junge!« Schon war sie an der Tür, stieß sie auf. Rebecca folgte ihr, jederzeit darauf gefasst, durch eine neue Detonation von den Füßen gerissen zu werden.
    Es war nicht dunkel draußen. Batterien von Flutlichtern erhellten das Lager. Schon waren Brände ausgebrochen. Dreißig Meter entfernt stieg eine Rauchsäule in den Nachthimmel. Die Raketen hatten einen der gepanzerten Spähwagen getroffen. Ein Trupp von Soldaten stürmte an den beiden Frauen vorbei, zur Barrikade aus Sandsäcken, wo bereits Schüsse ertönten.
    »Fabio?« Alyssa tastete sich an der Außenseite ihres Containers entlang, zum Blechkasten nebenan, zur Tür, die …
    Die Tür stand

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