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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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haben sie uns angegriffen, anstatt abzuwarten, bis sich das Problem von selbst erledigt? Die hören doch auch die Nachrichten und wissen, was los ist im Rest der Welt. Wozu nehmen sie Geiseln, wenn sie genau wissen, dass wir ihnen im Gegenzug nichts anbieten können? Wenn sie damit rechnen müssen, dass uns nur eines übrig bleibt …« Nachdenklich betrachtete sie die Kunststoffverkleidung des Blechcontainers - dieselbe Stelle, auf die Alyssa früher am Abend geblickt hatte. Die Berge. Die Antwort lag in den Bergen.
    »Nur eines - ihnen zu folgen. Was, wenn sie genau das erreichen wollten?«

St. Lambert Church, Edgware, England
    »Zu seinen Lebzeiten?«
    Amadeos Stimme zitterte.
    Görlitz’ Blick lag auf ihm, in den Augen ein übertriebenes Fragezeichen.
    Der Restaurator hätte ihm diesen selbstgefälligen Ausdruck aus der Visage schmettern können - wäre er imstande gewesen, sich zu rühren.
    Du solltest wirklich lernen, die Kleinigkeiten im Auge zu behalten, mein Lieber. Hat dir das nicht schon Helmbrecht immer gesagt? - Zu seinen Lebzeiten?
    Nein! Amadeo weigerte sich, zu glauben, was diese Worte einschlossen. Görlitz hatte sie nur aus einem einzigen Grund gesprochen: weil er Amadeo mit einem einzigen Schlag vernichten wollte.
    Doch brauchte er dazu - Worte? Ohne Regung hielten Görlitz’ Begleiter die Läufe ihrer Kleinkaliberpistolen auf
den Restaurator gerichtet, auf Duarte und Styx und auf die kleine Dame mit dem eisgrauen Dutt. Ihre Führerin konnte am allerwenigsten begreifen, was hier vorging. Sie hatte an Duartes Arm Schutz gesucht. Wortlos starrte der commandante Görlitz an. Die beiden Männer hatten einander schon einmal gegenübergestanden, erinnerte sich Amadeo.
    Und über ihnen allen thronte hochmütig die marmorne Inkarnation des Duke of Chandos, die bald drei Jahrhunderte lang über Händels Depot gewacht hatte. Irgendwo hier in diesem Raum musste es sich befinden, unter ihren Füßen vermutlich. Amadeo war am Ziel, der Lösung des babylonischen Rätsels eine entscheidende Station näher - doch hier war seine Reise zu Ende.
    Doch was zum Teufel tat Steffen Görlitz hier? Er war hinter Amadeo her, seit Potsdam schon, so viel war klar. Aber wie war er seiner Spur gefolgt, von Potsdam nach Weimar, weiter nach Rom und bis hierher, nach Canons und in die Dorfkirche Saint Lambert?
    »Steffen.« Amadeo nahm alle Kraft zusammen. »Ich weiß nicht, für was …« Er schüttelte den Kopf. »Für wen …« Doch das war Unsinn. Er wusste sehr genau, für wen Görlitz arbeitete. Jean-Lucien Verholen: Söldner. Belgier. Terrorist. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber das war auch gleichgültig.
    Wer aber stand hinter Verholen? Nicht einmal Alyssa hatte eine Vermutung gewagt. Doch Amadeo wusste nur zu gut, in wessen Lohn und Brot Görlitz bei ihrer letzten Begegnung gestanden hatte.
    »Der Kardinalstaatssekretär?«, hauchte er.
    Görlitz’ Mundwinkel zuckten. Sie zuckten ungleichmäßig. Die linke Seite seines Gesichts hing herunter wie bei einem Schlaganfallpatienten.
    »Soll ich ganz ehrlich sein?« Er flüsterte beinahe. »Ich
habe nicht die geringste Ahnung. Und weißt du was? Es interessiert mich nicht die Bohne. Hier geht es nur um dich und mich. Du spielst ein falsches Spiel, Fanelli!«
    Amadeo klappte der Unterkiefer runter. Er spielte ein falsches Spiel? Görlitz’ - Verholens - Schergen bereiteten sich gerade darauf vor, ihn über den Haufen zu schießen!
    »Mag sein, dass du Einsteins Code geknackt hast«, fuhr Görlitz fort. »Aber da hattest du auch Vorsprung. Als ich ihn in die Hände kriegte, warst du schon in Caputh. Aber Goethe? Der größte Geist unserer Zeit war gefragt - und du musst dir von dem alten Trottel in Weimar helfen lassen. Und das hier?« Sein Blick wanderte hinauf zur Grabskulptur des Duke in ihrer hehren Einfalt und stillen Größe. »Na, wer war’s? Was habt ihr gefunden auf dem cimitero acattolico? Wer ist der Nächste in der Reihe? Alexander Pope?« Er studierte Amadeos Gesicht, warf plötzlich einen Seitenblick auf Styx, der sich nicht einen Millimeter von der Stelle gerührt hatte, seitdem Görlitz aufgetaucht war. Der Bassist umklammerte seine Gitarre wie einen Rettungsring. Oder wie ein Maschinengewehr, dachte Amadeo, mit dem er ihnen den Weg freischießen konnte aus dem Mausoleum, das sich für sie in eine Mausefalle verwandelt hatte.
    »Händel also«, stellte Görlitz fest. »Du hast schon wieder betrogen, Fanelli! Und du suchst dir seltsame Leute aus

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