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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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konnte.
    Mit diesem Gedanken, Rebeccas Bild vor Augen, war Amadeo letzte Nacht eingeschlafen.
    Es war beinahe zu einem Ritual geworden für ihn, wenn er lange nach Feierabend noch Stunden in der officina gesessen hatte und spätabends in die kleine Wohnung in Trastevere zurückkehrte: Er konnte zwanzig Minuten damit zubringen, Rebecca einfach nur zu beobachten in der diffusen Helligkeit des schmalen Lichtkegels, der vom Flur her auf die eins vierzig breite Matratze fiel, die eigentlich zu schmal war für sie beide:
    Wie sie aussah, wenn sie schlief, meist auf dem Rücken und - was nicht unwesentlich zum Schauwert beitrug - lediglich mit einer seiner Boxershorts bekleidet. Wie ihre Brust sich hob und senkte, wenn sie im Traum die Decke beiseitegestrampelt hatte. Wie ihre Lippen sich im Schlaf bewegten, bevor ihr Gesicht sich wieder entspannte und eine tiefe Ruhe auf ihre Züge trat. Wie sie ein- oder zweimal aufgewacht war, als hätte der Instinkt, den das Leben in
Südamerika sie gelehrt hatte, ihr selbst im Schlaf verraten, dass sie nicht länger allein war. Wie sich ihre grünen Augen blinzelnd geöffnet, sich auf ihn gerichtet hatten und wie sie mit einer Stimme sprach, die rau war vom Schlaf …
    »Verfluchte Hölle! Ich hoffe, du hast eine verdammt gute Erklärung, warum du dich jetzt erst meldest!«
    Amadeo zuckte zusammen. Ohne es recht zu merken, hatte er Rebeccas Nummer gewählt.
    Duarte warf ihm einen Seitenblick zu, hob andeutungsweise eine Augenbraue. Natürlich hatte er das gehört.
    »Ich …« Amadeo hüstelte. »Äh, guten Morgen.« Er biss sich auf die Zunge. In Afghanistan war jetzt heller Mittag. »Ich wollte dich nicht …« Das Schweigen am anderen Ende ließ das Schlimmste befürchten. Eilig fasste er zusammen, was er zu seiner Verteidigung vorzubringen hatte. Rebecca unterbrach ihn nicht, was er diesmal für ein gutes Zeichen hielt. Erst als er auf Görlitz zu sprechen kam, sog sie überrascht die Luft ein. Im Hintergrund waren andere Geräusche zu hören, ein unterdrücktes Brummen, undeutliche Stimmen. Alyssa? Der Junge? Rebecca war unterwegs - und offenbar war sie motorisiert.
    »Gut«, sagte sie schließlich. Das klang tatsächlich ein Stück weit besänftigt. Vor allem klang es sehr viel leiser - fast ein Flüstern. »Du hast also einen neuen Text. Wenn sich der Professor nicht getäuscht hat, müsste er noch detaillierter sein als die Fassung in Händels Partitur. Verrät er etwas Neues? Über das Versteck? Über die Pforte oder … Wie hieß es bei Händel … carved in the shoulder of the mount ? Wir sind jetzt kurz vor dem Ali-Baba-Pass.«
    »Ali Baba?«
    »Kennt hier kein Mensch«, kam es aus dem Handy. »Ali Baba stammt zwar aus den Geschichten von Tausendundeiner Nacht, steht aber nicht im arabischen Original, sondern
erst in einer französischen Übersetzung von siebzehnhundertsonstwas. Ich hab das geprüft. Wir haben Internetzugang im Camp.« Sie machte eine kurze Pause. »Jedenfalls jetzt wieder. Der Name kommt wohl von den ISAF-Soldaten, aber …«
    Sekundenlang war nichts zu hören als das Brummen. Amadeo ging davon aus, dass die Verbindung einen Teil der Frequenzen herausfilterte. Das Geräusch wurde einen Moment lang lauter, kehrte dann wieder zur Ausgangslautstärke zurück.
    »Jedenfalls passt der Name«, meldete sich Rebecca wieder. »Sieht nach Schatzhöhle aus, von Weitem jedenfalls, doch ich bin mir ziemlich sicher, das sind mehr als vierzig.«
    »Vierzig?«
    »Räuber.« Rebecca hielt inne. »Wir können noch nicht durch im Moment. Wir müssen warten, bis die Fuchs-Panzer da sind. Ich muss dir was erzählen«, murmelte sie. »Es geht um Fabio.«
    Augenblicklich stellte sich eine Gänsehaut auf Amadeos Körper ein - selbst an Stellen, bei denen er es kaum für möglich gehalten hätte, dass sie fähig sein sollten, eine Gänsehaut hervorzubringen.
    Er persönlich hatte es gestern übernommen, den Jungen bei seiner Mutter loszueisen. Er brauche Fabio, hatte er gefleht. Der Auftrag, an dem er gegenwärtig arbeite, sei undurchführbar ohne dieses Wunderkind der bücherrestauratorischen Handwerkskunst - und schließlich stände nicht weniger auf dem Spiel als die Existenz der officina ! Zumindest das, tröstete er sich, war nicht gelogen. Ohne das babylonische Heilmittel würden die eventuell verbleibenden Reste menschlicher Zivilisation kaum noch Bedarf haben an einer Bücherrestauratorenwerkstatt.
    »Fabio«, murmelte er, hielt den Atem an, während Rebecca
erzählte: ein

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