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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Friedrichs Babylontext. Eine Einladung zu einem Spiel, dachte Amadeo, und der Einsatz war das Überleben der Menschheit. Und für ihn selbst außerdem noch einmal sein eigenes Leben. Du oder ich. Amadeo Fanelli oder Steffen Görlitz, nur einer konnte der Erste am Ziel sein, der Schnellste und Beste.
    Ich werde auf dich warten. Und dann wirst du sterben.
    Sekundenlang presste Amadeo Daumen und Zeigefinger auf die Nasenwurzel.
    »Doch nicht immun gegen die Grippe?«, fragte eine besorgte Stimme.

    Amadeo blinzelte. Duarte hatte kein Wort gesprochen in der letzten Viertelstunde, sondern war voll und ganz mit seinen Flugkarten beschäftigt gewesen.
    Müde schüttelte Amadeo den Kopf. »Gegen die Grippe schon. Gegen den Wahnsinn wohl weniger.« Seine Finger strichen über die Kopien. »Das ist jetzt der vierte Text in vier Tagen. Viermal dieselbe - und doch nicht dieselbe Geschichte. Jedes Mal ein winziges bisschen anders. Diesmal auf Latein. Der Anfang ist der exakte Wortlaut aus der Vulgata des heiligen Hieronymus, der im Mittelalter gültigen lateinischen Bibelübersetzung. Erat autem terra labii unius et sermonum eorundum. - Es war aber damals auf Erden eine einzige Zunge und ein und dieselbe Sprache. - Streng genommen müsste es eigentlich ›eine Lippe‹ heißen, nicht ›eine Zunge‹, aber ich kenne niemanden, der das so übersetzt.«
    »Also ganz nah an der Bibel?«
    Amadeo nickte. »Aber das war bei Einstein, bei Goethe und Händel nicht anders. Goethe war noch am weitesten weg vom Original, aber dafür war er schließlich Dichter. Erst zum Ende hin weichen unsere Texte von der Bibel ab, und da macht dieser hier keine Ausnahme, nur dass die Reiseroute noch detaillierter beschrieben wird als in den späteren Versionen. Gut, Friedrich bezeichnet den Hindukusch dabei als Caucasus , aber da herrschte allgemein Verwirrung im Mittelalter. Sobald es ins Detail geht, können wir die einzelnen Landmarken von hier aus sowieso nicht mehr beurteilen. Das kann nur Rebecca.«
    Er seufzte, schüttelte den Kopf. Die wichtigsten Punkte hatte er Rebecca weitergegeben - ohne selbst aus ihnen schlau zu werden.
    »Wenn wir Glück haben, wird Rebecca damit einen Schritt weiterkommen«, sagte er. »Aber bis ans Ziel …« Er
schüttelte den Kopf. »Wir müssen näher ran ans Original, so weit wie irgend möglich. Rebecca ist unser Auge in Afghanistan, doch dieses Auge ist blind, wenn wir ihm nicht sagen, worauf es achten muss. Wir müssen jetzt herausfinden, wie Friedrichs Code funktioniert - das ist unsere Aufgabe.«
    »Und da haben Sie eine Vermutung?«, fragte Duarte. »Einen Ansatz?«
    Amadeo zögerte. » Stella splendida et matutina «, sagte er dann leise. » Der leuchtende und morgendliche Stern. Eine Formulierung, die ebenfalls aus der Bibel stammt, aber nicht aus der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Trotzdem taucht sie in Friedrichs Erzählung auf, und nicht nur einmal …« Seine Augen glitten über die feierliche Minuskelschrift mit ihren dramatischen Längen, die wie Leuchttürme hoch über die eng beschriebenen Zeilen hinausragten. »Achtmal! Die Babylonier brechen auf mit ihrem Geheimnis, und sie wenden sich nach Osten, zunächst entlang der Seidenstraße. Friedrich führt die einzelnen Städte auf, ihre Stationen, fügt aber jedes Mal noch zusätzlich an, dass es der leuchtende Morgenstern ist, der ihnen den Weg zeigt. Eigentlich klar: Schließlich geht es nach Osten. Aber acht Mal? Woran denken Sie dabei?«
    Duarte musterte seine Flugkarten, die Amadeo noch kryptischer erschienen als der Text des verstorbenen Kaisers. »An die drei Weisen aus dem Morgenland?«, fragte der dunkelhäutige Mann.
    Amadeo stutzte. »Die drei Weisen waren Sterndeuter«, murmelte er. »Vermutlich sogar babylonische Chaldäer, aber …« Er schüttelte den Kopf. »Sie können nicht der Venus gefolgt sein. Der Stern von Bethlehem ist nur vorübergehend am Himmel erschienen, aus genau diesem Anlass: um sie zu leiten. Mit dem Morgenstern kann er nicht identisch sein. Der Morgenstern …«

    Amadeo sah von seinen Blättern auf, blickte geradeaus. Eine waldige Gegend, die er für Savoyen hielt, flog unter ihnen dahin. Wenn er an etwas anderes dachte, war es zu ertragen.
    »Der Morgenstern, die Venus, wird mit der babylonischen Göttin Ishtar identifiziert«, erklärte er. »Der Liebesgöttin, wenn Sie so wollen. Heutzutage wird die Venus durch das Zeichen dargestellt, das wir als das Symbol für das Weibliche kennen, ein Kreis mit einem Kreuz

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