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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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passieren würde. Womit niemand gerechnet hatte, war die Schrifttafel.
    Sie war sehr viel kleiner als das felswandgroße Exemplar in der Schlucht. Vierzig Zentimeter im Quadrat vielleicht, mit einem schmalen Rahmen drumrum, in Augenhöhe an der lehmverkleideten Mauer angebracht. Nein, nicht angebracht. Rebeccas Finger fuhren über die Oberfläche. Die Zeichen waren direkt in den Putz geritzt.
    Und sie hatte keine Ahnung, was sie zu bedeuten hatten.
    Alyssa trat zu ihr. »Dieselbe Schrift wie in der Schlucht«, sagte sie. »Nicht das Griechisch ganz unten. Die oberste der drei. Seht ihr dieses Zeichen?« Sie tippte auf ein Symbol in
der obersten Zeile, das aussah wie ein flach geklopftes und anschließend angeknabbertes Dreieck. »Eins der häufigsten auf der großen Tafel. Die meisten Schriften lassen sich früher oder später entziffern, indem man einfach die Häufigkeit der einzelnen Zeichen ausrechnet. Wenn eine bestimmte Kombination immer wieder auftaucht, kann das ein Name sein … von einer Person, einem Ort …«
    »Sind die so viel häufiger als andere Worte?«
    »Oder ein Wort wie Mann , Sonne , Baum oder eine Richtungsangabe oder oder oder … Ein Wort, das häufig vorkommt in der Sprache, mit der man es zu tun hat. Kamel , wenn es eine Sprache der Wüste ist. Im Norden vielleicht Eisbär . Ich hab mir das immer wieder angeschaut in den Aufnahmen der Patrouille - aber ich bin keinen Schritt weitergekommen.«
    »Das ist schlecht«, murmelte Rebecca. Genau das mussten sie schließlich: weiterkommen. Sie hatten keine Zeit, sämtliche Irrwege des Labyrinths einzeln durchzuprobieren. Doch in diesem Moment sah es aus, als bliebe ihnen schlicht keine andere Wahl.
    »Und jetzt?«, fragte sie. »Kopf oder Zahl?«
    »Wir gehen nach links«, sagte Alyssa.
    Rebecca sah sie fragend an.
    »Wir gehen von nun an immer nach links«, erklärte ihre Schwester. »Auf diese Weise können wir die Anlage systematisch erfassen und laufen nicht Gefahr, einen Weg doppelt zu gehen oder uns zu verirren. Wenn wir umkehren und jedes Mal rechts gehen, kommen wir exakt hier wieder raus.«
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass das Labyrinth so funktioniert: jedes Mal links?«
    Alyssa hob die Schultern, zeichnete oberhalb der Tafel einen Pfeil ein, der nach links wies. »Wenn einer von euch eine bessere Idee hat, sagt’s nur.«

Der Himmel über Zentralasien
    »Nein, ein Freund von dieser Rumfliegerei werd ich bestimmt nicht mehr«, murmelte der Mann mit dem Narbengesicht. »Aber wenn man vernünftige Reiselektüre dabeihat, ist es doch wenigstens erträglich. - Oder was denkst du, mein lieber Amadeo?«
    Der Restaurator hielt die Lider fest aufeinandergepresst. Nichts, aber auch gar nichts konnte diesen Flug in irgendeiner Weise erträglich machen. Es existierten lediglich unterschiedliche Grade der Unerträglichkeit - und Steffen Görlitz dabei zuzusehen, wie er im Fahrgastraum des Transporthubschraubers vom Typ Sikorsky CH-53 umherschlenderte wie auf einem gemütlichen Nachmittagsspaziergang, bewegte sich eindeutig im Spitzenbereich der Unerträglichkeiten.
    Am Klang von Görlitz’ Stimme erkannte Amadeo, dass sein ehemaliger Kollege nicht wirklich bei der Sache war.
    Görlitz studierte einen Papyrus.
    Nicht irgendeinen, nein. Das Manuskript aus Kaiser Friedrichs Depot in den Innereien des Monte Vulture. Görlitz hatte es akribisch in zwei Hälften geteilt - eine für sich, die andere für Amadeo.
    Es herrschte Gleichstand - so jedenfalls interpretierte Görlitz den Verlauf des Spielchens . Nahezu gleichzeitig waren sie am Felsenheiligtum in der Abtei San Michele eingetroffen. Wer von ihnen beiden der größere Geist war, ließ sich noch immer nicht entscheiden.
    Damit war das Spiel in die Verlängerung gegangen. Eine Verlängerung, die bedeutend länger dauern würde als die schlappen zweimal fünfzehn Minuten, wenn Lazio gegen AS Rom antrat.
    Auf jeden Fall, bis sie in Afghanistan ankamen: Amadeo,
Görlitz - und die Gorillas seines Ex-Kollegen. Der commandante war am Monte Vulture zurückgeblieben, nicht freiwillig natürlich. Nein, gewiss nicht freiwillig, dachte Amadeo. Aber wenigstens lebendig.
    Diesmal sollte es wirklich fair zugehen, hatte Görlitz betont. Keine Hilfe von außen. Selbstverständlich hatte er auch Amadeos Handy eingezogen.
    Und im Gegenzug hatte er dem Restaurator einen Platz in seinem Militärhubschrauber angeboten - mit vorgehaltener Waffe.
    Einem Militärhubschrauber, der zu Amadeos Entsetzen dasselbe

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