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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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that we shake hands and part. - Hamlets Antwort auf das Sprüchlein, das auf Ihrer Tafel in den Lehm geritzt wurde:
Recht so, recht so. Dann schütteln wir jetzt schön das Patschehändchen und sagen ein herzhaft dänisches ›farvel‹. Ich würd mal behaupten, die Botschaft ist eindeutig: An dieser Ecke geht’s nach rechts .«
    Rebecca tauschte einen Blick mit ihrer Schwester, mit dem Oberst, bei dem sie bis zum Schluss damit gerechnet hatte, dass er das Gespräch mit dem so offensichtlich wirren alten Mann unterbrechen würde.
    Einem wirren alten Mann, dem es gelungen war, das wirre Geheimnis zu lüften, mit dem ihre wirren ägyptobabylonischen Freunde den Weg durch ihr Labyrinth verschlüsselt hatten.
    Rebecca beobachtete, wie ihre Schwester ganz langsam nickte.
    »Einverstanden«, murmelte Alyssa. »Gehen wir nach rechts.«
     
    Der Professor war ein Phänomen.
    Rebecca wusste das schon lange, doch dem Oberst und seinen Männern war Ingolf Helmbrecht noch nicht begegnet, und auch Alyssa kannte ihn noch nicht leibhaftig.
    Nachdem der ISAF-Trupp sich auf Shakespeares Anweisung nach rechts gewandt hatte, waren sie an eine neue Gabelung gelangt mit einer neuen Tafel, auf der diesmal ein Text von Molière zu lesen war, der sie nach links schickte. Französisch, noch ein halbes Jahrhundert jünger als Shakespeare, und wiederum in demotischer Schrift.
    Alle Texte waren in dieser Schrift geschrieben, und alle waren sie zwar uralt nach modernen Maßstäben, aber eben doch Jahrtausende nach dem Turmbau im antiken Babel entstanden.
    Ein Ausschnitt aus dem mittelalterlichen Nibelungenlied: nach links.

    Eine Sure aus dem Koran: noch einmal links.
    Cervantes’ Don Quichote: nach rechts.
    Ein Stückchen aus Dantes Göttlicher Komödie: wieder nach links.
    Ein Kamasutra-Schnipselchen, eher von der harmlosen Sorte. Nur der semmelblonde Jüngling kriegte rote Ohren, als Rebecca es den Männern wiederholte: rechts.
    Sie kamen voran! Ihre Strategie ging auf, aber sie hatte einen entscheidenden Nachteil: Sie kostete Zeit. Beim Blick auf ihr Handy sah Rebecca, dass sie sich bereits den ganzen Vormittag im Labyrinth aufhielten. Das Präparat des Geheimdienstes war auf eine Wirkung von vierundzwanzig Stunden ausgelegt, und Vorräte besaßen sie nicht mehr. Sie waren krank, jeder von ihnen, selbst wenn die Symptome im Augenblick gedämpft wurden. Am nächsten Tag um diese Zeit würde die Krankheit mit voller Macht über sie hereinbrechen. Bis dahin mussten sie das verborgene Heilmittel gefunden haben - sonst war alles umsonst gewesen. Sonst war alles … zu Ende, dachte Rebecca. Eine zweite Chance würden sie nicht bekommen. Ihr zusammengewürfelter Trupp nicht und auch die Menschheit nicht.
    Helmbrecht, dachte sie, hatte zumindest noch ein paar Tage Gnadenfrist. Ganz nebenbei hatte er Grüße an Alyssa ausrichten lassen mit einem Dankeschön für das hübsche Mittelchen, das da vorgestern per Eilboten eingetroffen war. Noch wesentlich besser als das Präparat des verschollenen Dr. Möbius - auch im Geschmack.
    Alyssa hatte nicht mit der Wimper gezuckt, als Rebecca sie überrascht angesehen hatte.
    Inzwischen hatte der geschrumpfte Zug die nächste Einmündung erreicht, die nächste Schrifttafel. Die achte oder neunte insgesamt seit dem Eingang. Rebecca ging in die Knie, machte eine Aufnahme, zur Vorsicht eine zweite.
Noch immer hatte sie keinen Schimmer, wofür die einzelnen Zeichen standen.
    Rebecca richtete sich auf, drückte auf Senden. Jetzt konnten sie nur warten. Helmbrecht brauchte selten länger als eine Viertelstunde, bevor er mit der Übersetzung kam - und mit der jeweiligen Fundstelle des Textfragments gleich dazu, deren Fortsetzung sie nach rechts oder links schickte. Das System war geradezu lächerlich simpel - wenn man die jahrtausendealte Schrift entziffern konnte und die völlig unterschiedlichen Texte zu deuten wusste, aus denen die Babylonier ihre Zitate zusammengesucht hatten.
    Die Babylonier.
    Sie konnten keine Babylonier sein, undenkbar. Keine fünftausend Jahre alten Babylonier jedenfalls. Die Texte kamen aus sämtlichen Gegenden der Welt, lediglich der amerikanische Doppelkontinent, Ostasien, Schwarzafrika und Australien waren noch nicht dabei gewesen. Nur eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren ausnahmslos viel zu jung, als dass die Erbauer des Turms sie hätten kennen können.
    »Jemand beobachtet uns«, sagte Alyssa leise.
    Rebecca nickte. »So sieht es aus. Sie sind die ganze Zeit auf dem Laufenden

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