Das Band der Magie
darauf ein. „Auf jeden Fall hab ich ein bisschen recherchiert wegen deiner Großmutter. Jetzt guck nicht so … ich hab keine Ahnung, wer sie gewesen ist. Ohne Namen werden wir das wohl nie herausfinden. Aber ich hab was gefunden, was ihre Tat – nämlich ihr eiskaltes, niederträchtiges, unanständiges … und wir wollen es mal beim Namen nennen: ziemlich gemeines Aussetzen eines unschuldigen kleinen Mädchens - ein bisschen in einem anderen Licht erscheinen lässt.“
Sie machte eine Kunstpause und ihre Augen funkelten. Ich konnte sie nur anstarren, die Kartoffel vergessen in der Hand.
„Also es ist so: Wenn eine Feyann fertig ist mit ihrer Ausbildung, dann zieht sie erst mal durch die Lande und lernt für sich. Irgendwann lässt sie sich dann in einem Dorf nieder. Dieses Dorf wird dann zu IHREM Dorf. Sie verbindet sich mit ihm auf magischer Ebene, webt dabei einen Schutzzauber, kümmert sich um die Leute, um die Tiere … ist eben die gute Seele des Ortes … wir sind ja alle so heldenhaft und unfassbar liebenswert und so richtig ekelhaft vollkommen. Kurz: widerliche Gutmare. Das sind wir Feyann.“
Ich blinzelte. Ein liebenswerter, vollkommener Gutmar war Liah ganz gewiss nicht. Aber das sagte ich lieber nicht laut. Dem Funkeln in ihren Augen nach, wusste sie das auch selbst.
„Du hast dir wohl nie ein Dorf gesucht, was?“, brachte ich nur mühsam hervor, weil sie offenbar eine Antwort von mir erwartete.
„Doch. Das hier. Aber eigentlich ist das gar nicht so mein Ding. Bin mir nicht sicher, ob die Leute so glücklich drüber sind, dass ich diesen Ort gesegnet habe.“ Sie gluckste in sich hinein, so dass auch ich grinsen musste.
„Auf jeden Fall hat sich deine Großmutter wahrscheinlich in eben jenem Dorf niedergelassen, in dem auch du aufgewachsen bist. Und das ist der Punkt: Wenn sie dich vor etwa zehn Jahren in die Hütte gebracht hat, dann wollte sie dich in Sicherheit bringen. Der Krieg ging zu Ende, es sah nicht gut aus für die Magiewesen. Weil eine Feyann aber niemals ihr Dorf – und sei es auch ein Menschendorf – im Stich lassen kann, erst recht nicht in Notzeiten, konnte sie nicht bei dir bleiben. Also hat sie dich quasi im Wald ausgesetzt und ist wieder zurück in ihr Dorf. Schätze, da dürfte man sie dann auch ermordet haben.“
Liah sagte das so trocken, als rede sie übers Kartoffelschälen.
Ich blinzelte verwirrt.
„Dachte, dich interessiert, dass deine Großmutter dich mit Sicherheit nicht im Stich lassen wollte. Sie MUSSTE dich allein lassen. So sind wir Feyann eben – oder sollten zumindest so sein. Die magische Verbindung mit ihrem Dorf hat ihr gar keine andere Wahl gelassen. Also entspann dich: Du bist geliebt worden, nur hattest du eben Pech, mitten in einem Krieg aufzuwachsen.“
Mit diesen Worten stand sie auf, klopfte mir kurz und heftig auf die Schulter - was wohl eine tröstende Geste sein sollte - und pfiff nach ihren Geistern. Die ließen die geschälte Kartoffel in meine Hand plumpsen und zischten hinter Liah her.
Fassungslos starrte ich auf das Etwas in meiner Hand. Die Geister hatten aus der Kartoffel eine Hand geschnitzt. Eine Faust, um genau zu sein, wo der Daumen herausgestreckt war. Das typische Symbol für „Kopf hoch“, was ganz eindeutig Liahs Art war, mich aufmuntern zu wollen. Und es funktionierte. Ich lächelte tatsächlich, erst recht, weil es ein schöner Gedanke war: Dass meine Großmutter mich nicht verlassen hatte, sondern gehen musste.
Sie hatte mich geliebt. Vielleicht. Hoffentlich.
Ich schloss die Hand um die Kartoffel.
Danach brauchte ich erst mal eine Weile, um Liahs Erzählung zu verarbeiten. Sie hatte mir ja schließlich einfach so zwischendurch die Fragen beantwortet, die ich mir all die Jahre gestellt hatte: warum man mich in der Hütte allein gelassen hatte.
Ich hätte gedacht, dass ich erleichterter über die Wahrheit gewesen wäre. In Wirklichkeit fühlte ich nicht viel. Es war, als hätte ich innerlich einen Haken an das Ganze gesetzt und wäre zum nächsten Punkt übergegangen: Keelin retten.
Gerade war ich auf dem Weg zu ihm, bewaffnet mit gleich drei Baumwurzelknollen. Für den Wolf würde damit der Tag gerettet sein. Doch mitten im Schritt verharrte ich: Da saß doch tatsächlich Mahedan bei Keelin!
Er hielt den erforderlichen Sicherheitsabstand von fünf Metern ein, misstrauisch beäugt von Damian. Keelin schien die Gesellschaft zu genießen: Er saß mit gespitzten Ohren auf seinem Hintern, die Vorderpfoten
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