Das Band der Magie
nicht so richtig, warum alle bei Tristan so um den heißen Brei rumredeten. Es war ein offenes Geheimnis, dass der Mann schwerkrank war, aber niemand sprach darüber. Dabei hätte ich doch so gerne gewusst, was er eigentlich hatte.
Es schien auf jeden Fall eine magische Krankheit zu sein. Sie war wohl nicht ansteckend, aber zu hundert Prozent tödlich.
Um mehr darüber herauszufinden, beobachtete ich Tristan natürlich, wann immer ich ihn in der Ferne auftauchen sah. Er ging mittlerweile am Stock, wie ein alter, gebeugter Mann. Seine Schritte waren langsam und schlurfend, sein Körper gebeugt.
Seit Brahns merkwürdigem Verhalten nach dem kurzen Kuss zwischen Tristan und Liah beobachtete ich die beiden natürlich umso mehr.
Sie tauchten allerdings ziemlich selten zusammen auf.
Liah war ohnehin wie ein Blatt im Wind. Ich schlief zwar in ihren Räumen, traf sie da aber so gut wie nie. Entweder besuchte sie gerade Kranke, spielte mit ihren tausend Geistern oder streunte durch die Gegend. Aber sie war erstaunlich fürsorglich. Wann immer ich morgens aufstand, hatte sie bereits Frühstück für mich vorbereitet.
Wenn wir denn mal miteinander sprechen konnten, dann ging es hauptsächlich um meine Genesung oder um die vielen Geister, die Liah belagerten. Das Thema Alkamir sparten wir uns aus. Ich spürte, dass es nur wieder böses Blut geben würde, sobald Brahn Wind davon bekam. Vielleicht war ich aber auch nur zu feige, näher nach der Wahrheit zu bohren.
Auch um das Abendbrot musste ich mir keinerlei Gedanken machen, Es wurde allen gemeinsam im geräumigen Gemeindehaus serviert. Gegessen wurde an langen Tischen, eine bunt gemischte Schar Asannen, Mae und Shadun. Wie ich das sah, trennten sie nicht zwischen den einzelnen Rassen: Mae saß neben Shadun, Asanne neben Mae. Nur die Menschen hockten abseits in der Ecke.
Ja, hier lebten auch Menschen. Allerdings nicht sehr viele, so zwanzig oder dreißig etwa. Sie wurden meistens gemieden und waren ganz offensichtlich nicht Teil der Gemeinschaft – obwohl sie durchaus im Rat vertreten waren.
Aber eigentlich wollte ich ja von Tristan und Liah erzählen: Ich sah sie eigentlich nur ein einziges Mal gemeinsam und da stritten sie mal wieder. Keine Ahnung, worum es ging, aber Liah war ziemlich aufgebracht. Tristan ließ sie irgendwann einfach mitten im Satz stehen und ging zurück in sein Haus.
Ich kam fast um vor Neugierde!
Es war dann allerdings Liah, die mich eiskalt erwischte, ausgerechnet beim Kartoffelschälen. Sie kam um die Ecke gezischt, nickte mir und meinen Mit-Kartoffelschälern grüßend zu und stoppte plötzlich mitten in der Bewegung. Zwei Schritte zurück, dann drängelte sie sich geschickt zwischen mich und eine der älteren Frauen, die direkt neben mir saß. Die eine am Rand purzelte fast von der Bank.
„Ich muss mal kurz mit dir reden, Aeri“, eröffnete Liah unvermittelt das Gespräch. Sie warf einen Blick in die Runde. „Allein!“
Bei jedem anderen hätten die Alten wohl protestiert, so aber packten sie nur ihre Kartoffeln ein, warfen mir noch einen beunruhigten Blick zu und trollten sich.
Gerade eben schwebte eine ungeschälte Kartoffel aus dem Eimer neben mir hervor und schälte sich wie von selbst. Die Luftgeister kicherten begeistert.
Ja, Liah konnte echt unheimlich sein.
Liah schien gar nicht zu bemerkten, was sie gerade tat, denn sie begann sofort mit ihrem Gespräch.
„Tristan hat mir erzählt, dass du eine Großmutter hattest, die dich einfach zur Hütte geschleppt und dann da ausgesetzt hat. Da du eine Feyann bist, war sie vermutlich auch eine. Hatte sie auch Runen im Gesicht?“
Ich nickte wie in Trance.
„Dann war sie wohl eine Feyann. Gut. Ich hab hier ein Buch …“ Ein altes, verstaubtes Etwas, das nur ganz grob als Buch durchgehen konnte, erschien wie aus dem Nichts vor ihrem Kopf und schwebte einfach so vor sich hin. Sie blätterte verträumt darin herum. „Das hab ich aus meiner alten Schule mitgehen lassen; steht ziemlich harter Tobak drin, ist aber auch ziemlich interessant. Ich leih es dir mal, wenn du denn endlich mal lesen gelernt hast.“ Sie zog eine Grimasse.
„Ich selbst hab nicht viel Ahnung von den vielen Riten einer Elementarmagierin. Meine Schule ist überfallen worden, noch ehe ich mein zweites Lehrjahr vollenden konnte. Die Menschen haben alle abgeschlachtet, nur mich haben sie nicht bekommen.“ Wieder diese Grimasse, als gebe es da eine Geschichte hinter der Geschichte. Sie ging aber nicht näher
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