Das Band der Magie
gewähren und trieb ihn nicht noch mal an.
Ich lockerte daraufhin meinen Klammergriff um seine Mähne und erlaubte mir zum ersten Mal seit Stunden, mich ein klein wenig zu entspannen. Mir tat jeder Muskel weh, aber ich beschwerte mich nicht und verlangte auch nicht nach einer Pause.
So allmählich hasste ich das Reiten, egal ob auf einem Wari, einem Pferd oder auf Keelins Rücken.
Keelin wirkte so angespannt, dass ich mich nicht traute, das Gespräch zu eröffnen. Immerhin hatte er seine Arme zum Teil um mich gelegt und zog mich dadurch an sich. Ein schönes Gefühl. Ob er damit meinen Sturz verhindern wollte oder meine Nähe suchte, konnte ich nicht genau einschätzen. Warum er mich umarmte, war mir in dieser Situation aber auch herzlich egal.
Doch irgendwann brach er das Schweigen. „Aeri, was ist passiert?“, flüsterte er leise in mein Ohr.
Das war eine wirklich gute Frage. So ganz verstanden hatte ich es auch nicht, versuchte mich aber an einer Erklärung:
„Mahedan hat Tristan zum Kampf aufgefordert, nachdem Danae gestorben ist.“
„Wer ist Danae?“
„Tristans Frau.“
„Oh!“ Kurzes, fassungsloses Schweigen. Dann: „Das erklärt eine ganze Menge.“
Ich fand das nicht und verdrehte mir den Hals, um Keelin ansehen zu können. „Was erklärt das? Warum wird Tristan krank, wenn seine Frau eigentlich diejenige ist, die stirbt?“
„Das… ist kompliziert. Es ist das Band der Magie.“
Puff. Keelin wurde zum Wolf – und das auf einem Pferderücken. Nasur klappten abrupt die Beine weg, als plötzlich ein gigantischer und entsprechend schwerer Wolf auf seinem Hintern saß. Wir gingen alle gemeinsam zu Boden. Während ich noch mit Schreien beschäftigt war, purzelte Keelin bereits vom Pferderücken und zog mich dabei mit. Wir klatschten beide unsanft auf der Erde auf, alle Viere von uns gestreckt.
Das Pferd kam derweil mühsam wieder auf die Beine und beschloss wohl, dass es ihm mit mir und dem merkwürdigen Wesen an meiner Seite reichte. Nasur suchte kurzerhand das Weite, drehte auf dem Huf um, schnaubte empört und rannte zurück Richtung Heimat. Verdenken konnte ich es ihm nicht.
Ich hieb frustriert auf den Boden ein und blitzte Keelin böse an. „Verdammt, Keelin! Es war doch nur eine einfache Frage!“ Dann klickte etwas in meinem Hirn, aber nur ein bisschen.
Keelin verwandelte sich meistens nur so abrupt, wenn die Beantwortung seiner Frage etwas mit seiner Gedächtnislücke zu tun hatte. Interessant.
Nachdenklich rappelte ich mich hoch, während mich Keelin winselnd musterte. Meeha grummelte vor sich hin. Auch sie war bei unserem Sturz im Staub gelandet.
Das Frustrierendste an allem war, dass ich Keelin noch nicht gefragt hatte, ob wir denn jetzt nach Alkamir gehen sollten oder nicht. Hieß für mich: Ich musste entscheiden.
Ich klopfte mir den Staub vom Nachthemd und überlegte. „Keelin? Gehen wir nach Alkamir oder nicht?“, fragte ich den Wolf probehalber, aber der legte nur den Kopf schief.
Ich hatte den weiten Weg zurückgelegt, um Keelin nach Alkamir zu bringen. Die Idee selbst stammte von Keelin. Er war also dafür. Tristan schien das ähnlich zu sehen, hatte mich sogar kurz vor seinem Tod dazu aufgefordert, allerdings mit gewissen Zweifeln. Brahn hielt davon mal so gar nichts, Liah hingegen schon.
Ich seufzte tief. Es half ja alles nichts: Ich muss entscheiden. Die Antwort rumorte allerdings in meinem Bauch herum, fiel sie doch anders aus als Keelin es vermutlich wollte: Ich war nicht bereit, in irgendeiner Art und Weise das Risiko einzugehen, meinen Wolf zu verlieren.
Egoistisch? Klar. Natürlich. Der Wolf war alles, was ich an Familie hatte. Doch konnte ich langfristig damit leben, dass Keelins Volk für immer an Mahedan gekettet war? Dass ich ihnen ihren rechtmäßigen Prinzen vorenthielt, bloß weil ich ihn nicht hergeben wollte?
Und die Frage war ja auch: Was würde Keelin wollen?
Die Antwort war klar: Er würde alles tun, um sein Volk zu retten, auch das Risiko eingehen, dabei vielleicht zu sterben. Und wer war ich, mich gegen solch einen Wunsch zu stellen? Verdammte Geisterkacke!
„Komm, Keelin! Wir gehen nach Alkamir“, sagte ich schweren Herzens und schwang mich auf seinen breiten Rücken. Meeha hüpfte an seinem Fell entlang auf meinen Arm und zwitscherte bestätigend. Zumindest sie schien nicht der Meinung zu sein, dass ich einen tödlichen Fehler beging.
Wir hielten erst an, als es wieder stockdunkel um uns herum war und selbst Keelin kaum noch
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