Das Band der Magie
folgte, wollte sie wohl nicht zurückbleiben.
„Ihr könnt mich ein Stück begleiten!“, sagte ich zu beiden. Der Weg war weit und nicht ganz ungefährlich. Ein großer Wolf an meiner Seite konnte da nicht schaden. „Aber ihr dürft nicht mit in die Stadt. Das ist zu gefährlich.“
Keelin schnaufte verächtlich.
„Ich weiß. Du hältst das für eine Schnapsidee, aber ich geh da jedes Jahr hin.“ Fast klang ich zornig. Warum eigentlich? Er machte mir ja gar keinen Vorwurf. Wahrscheinlich wusste ich tief in meinem Inneren, dass die Stadt nicht gut für mich war. Klar wusste ich das. Ich ging aber trotzdem hin – und das machte mich wohl wütend auf mich selbst. Dummes, einsames Menschenmädchen!
Wir wanderten den ganzen Tag. Meeha ritt zwischendurch mal auf Keelin, dann auf meinem Kopf, dann verkrümelte sie sich wieder im Beutel.
Keelin ging die ganze Zeit so dicht neben mir, dass meine Schulter immer wieder gegen seine Schulter stieß. Er wirkte angespannt, aber nicht böse. Irgendwie hatten wir uns darauf geeinigt, dass er meine Gründe verstand; sie zwar nicht billigte, aber akzeptierte.
Das war mehr, als ich erhofft hatte.
Die Nacht verbrachten wir ziemlich unspektakulär in einer alten Höhle. Hier schlief ich immer, wenn ich nach Tagre ging. Seit zehn Jahren, jedes Jahr. Und wie jedes Jahr ritzte ich sorgfältig ein weiteres X in den alten, verwitterten Stein. Es war mein Jahreskalender der einsamen Zeiten, das traurigste Denkmal, das je eine Menschenhand gezeichnet hatte.
Keelin musterte mein Tun. Er schien den Kalender als das zu erkennen, was es war, denn er starrte mich eindringlich an. Seine Frage ignorierte ich. Ich wollte nicht mit ihm diskutieren, warum ich einsam meine Jahre fristete.
Aber zumindest eine Antwort gab ich ihm.
„Heute ist mein siebzehnter Geburtstag“, erklärte ich traurig. Ich wusste nicht wirklich, ob ich heute vor siebzehn Jahren geboren worden war. Aber ich hatte immer dann Geburtstag, wenn ich in dieser Höhle war. Und da ich sieben gewesen war, als ich das erste Mal hier übernachtet hatte … eine einfache Rechnung. Obwohl ich nicht richtig rechnen kann, um ehrlich zu sein.
Keelin wurde auf einmal ganz aufmerksam, wedelte fleißig mit dem Schwanz und leckte mir sogar eine Millisekunde über die Wange. Das hatte er noch nie gemacht. Es war irgendwie … so hundemäßig. Das stand ihm gar nicht.
Aber: Er wusste offenbar, was ein Geburtstag war – und er wusste auch, dass das wichtig war. Sekunden später war er verschwunden.
Ich blinzelte irritiert, wartete, aber als er nicht zurückkam, packte ich meine Sachen. Er verschwand öfters mal für ein paar Minuten, fand mich danach aber problemlos.
Ich machte mich also auf den Weg, wurde aber nach einer halben Stunde unruhig. „Wo ist er?“, fragte ich Meeha, aber die putzte sich grad, auf meinem Kopf sitzend, das Fell. Sie reagierte nicht. Natürlich nicht. Dazu war sie zu viel Tier.
Mein ungutes Gefühl wurde immer heftiger, je länger ich wartete. Irgendwann blieb ich stehen und pfiff. Nichts. Ich ging weiter.
Da brach mein Wolf plötzlich aus den Bäumen hervor, ein schwarzes, riesiges Ungetüm, so groß wie ein junger Hirsch, zerzaust wie immer, die Augen blau blitzend und das Maul voller … Eier! Einige waren zwischen seinen Zähnen geplatzt, aber die Mehrzahl trug er wohl behütet auf der Zunge.
Ich starrte ihn wieder einmal ungläubig an. „Du bringst mir Eier?“, fragte ich verwirrt. Dann fiel der Groschen. „Du bringst mir ein Geburtstagsgeschenk.“
Er wedelte so heftig mit dem Schwanz, dass sein ganzes Hinterteil wackelte. Es war ein so süßer Anblick, dass ich lachen und heulen musste. Meeha zischte genervt.
Wir teilten die Eier. Die zerplatzten bekam er, die übrigen briet ich vorsichtig auf einem winzigen Feuer ohne Feuergeister. Im Sommer waren Lagerfeuer für sie uninteressant, dann jagten sie lieber den Sonnenstrahlen hinterher und tanzten in der aufsteigenden Thermik.
Es waren die leckersten Eier, die ich je gegessen hatte. Mit Abstand. Mir gegenüber hockte ein sehr zufrieden dreinblickender Veddawolf, die blauen Augen glitzernd vor Vergnügen. Er freute sich, weil ich mich freute. Und ich freute mich, ganz einfach, weil er hier bei mir war.
Dann brachen wir wieder auf und selbst der Regen konnte meine Stimmung nicht trüben. Um mich herum roch es nach nassem Hund, nassem Meerschweinchen und nassen Klamotten. Es roch himmlisch, ganz einfach nach Freundschaft.
Am zweiten
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