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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
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angehalten.
    Mir dämmerte allmählich, dass Meeha vielleicht nicht nur ein lustiger Fledermaus-Eichhörnchen-Meerschweinchenmix war, genauso wenig wie Keelin ein Veddawolf war.
    „Was ist eine Azrey?“, erkundigte ich mich misstrauisch und musterte mein kleines Haustierchen. Wollte ich das überhaupt wissen?
    Meeha schnüffelte. Jemand reichte ihr mit zittrigen Händen eine Möhre – Brahn, der mich mit großen Augen ansah.
    Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Er räusperte sich.
    „Eine Waldgöttin“, sagte er dann sanft. „Du hattest eine Waldgöttin in deinem Ausschnitt.“
    Ich hauchte nur ein „Oh!“ und sah tatenlos dabei zu, wie Meeha sich friedlich die Möhre krallte, sie in ihre Hamsterbacken schob und dann an meinem Arm entlang turnte, um völlig ungerührt in meinem Ausschnitt zu verschwinden.
    Von links reichte mir jemand eine weitere Möhre.
     
    Das restliche Suppe-Essen verging etwas angespannt. Die Männer behandelten mich mit großem Respekt, sorgten aber stets für Möhren-Nachschub. Es war, als hätten sie Angst, dass Meeha sie jeden Moment verhexen könnte.
    Ich war mit der Situation etwas überfordert, außerdem war mir der Appetit vergangen.
    Nach rund zehn Minuten hatten die Männer ihr Essen vertilgt und standen auf, um was-weiß-ich zu tun. Sie verschwanden in der Dunkelheit, nur Tristan und Brahn blieben sitzen. Beide wirkten sehr nachdenklich.
    Es war Brahn, der das Gespräch eröffnete.
    „Aeri“, sagte er gedehnt. „Sei nicht böse, dass ich so direkt frage: Aber was machst du hier so ganz allein?“
    „Ich lebe hier.“
    „Allein? Seit wann?“
    „Seit etwa zehn Jahren.“ Die Männer starrten mich an. Neugierig, abwartend. Da wusste ich, dass ich meine Geschichte erzählen musste. Ich erzählte sie nicht gern. Sie war zwar unspektakulär, dafür aber traurig. Die meiste Zeit weigerte ich mich, überhaupt darüber nachzudenken. Trotzdem erzählte ich sie:
    „Ich bin in einer einsamen Hütte aufgewachsen, so ähnlich wie meine alte Hütte, die ihr ja nicht kennt. Eine alte Frau war bei mir. Das war wohl meine Großmutter, ich habe sie auf jeden Fall immer Nana genannt. Sie hat mir das Sprechen beigebracht, aber lesen und schreiben kann ich nicht. Das hielt sie für unwichtig.
    Ich kann aber ein bisschen zählen!“, erklärte ich stolz. Die Männer blinzelten nur, also erzählte ich weiter.
    „Wir gingen regelmäßig in ein Dorf. Ich weiß nicht, wo dieses Dorf war oder wie es hieß. Es war aber ein Menschendorf. Die Menschen waren freundlich, aber schrecklich ängstlich. Ich weiß nicht, wieso. Meine Nana sah nicht anders aus als andere Menschen, ich sah nicht anders aus als andere Menschen. Kurz: Ich hielt uns für Menschen.
    Dann, eines Tages, ich war etwa acht Jahre alt, weckte mich Nana. „Wir müssen gehen“, sagte sie. Also gingen wir. Tagelang, nächtelang. Sie hatte es schrecklich eilig und drängte mich, schneller zu laufen. Wir flohen vor etwas, aber ich wusste nicht, wovor.
    Wir sind bestimmt einen ganzen Monat gewandert. So weit, dass ich völlig erschöpft war. Aber Nana wusste genau, wohin sie wollte: zu der einsamen Hütten hier im Wald.
    Da hat sie mich abgesetzt. „Du weißt alles, was du zum Überleben wissen musst!“, hat sie gesagt. Dann ist sie gegangen – und nie wieder zurückgekommen.
    Ich habe eine ganze Weile gewartet, aber sie kam nicht. Also habe ich angefangen, mein Leben einzurichten. Ich habe eine Stadt gefunden, in der ich meine Felle eintauschen konnte – ähnlich wie wir es mit dem Dorf gemacht haben. Ackerbau, Fischen, Jagen – hab ich alles von Nana gelernt.
    Irgendwann kam Meeha in meine Hütte, danach die ganzen Geister, dann Keelin … und jetzt bin ich hier.“
    Ich atmete tief durch. „Ich war ziemlich einsam“, schloss ich. „Und der letzte Winter war der schlimmste, den ich je erlebt habe. Ich bin verletzt, oben an der Schulter. Ohne Keelin hätte ich nicht überlebt.“
    Einen Moment starrte ich in die Flammen. Noch immer keine Geister. Dann erst blickte ich Tristan an. „Kannst du dir mal meine Schulter ansehen? Ich komm da nicht dran.“
    Tristan nickte. „Aber nicht mehr heute Abend. Es ist zu dunkel. Gleich morgen früh.“
    Das war mir recht. Die Schulter pochte jetzt schon seit Monaten vor sich hin – da machte eine Nacht mehr oder weniger auch nichts mehr aus. Hauptsache, irgendwer half mir.
    „Die Menschen waren ziemlich fies in der Stadt“, erzählte ich weiter. „Wegen denen hier.“ Ich deutete auf

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