Das Band der Magie
seinem Griff, aber so schnell wie der Schmerz gekommen war, war er auch schon wieder weg.
„Du musst dich bitte auf den Bauch legen, damit ich einige deiner Wirbel wieder einrenken kann. Du musst dich völlig verdreht haben. Deine Schulter ist aus dem Gelenk gesprungen. Wie lange läufst du damit jetzt schon herum? Erstaunlich, dass du den Arm überhaupt noch bewegen kannst. Außerdem hat sich hier ein dicker Knubbel gebildet, den ich aufschneiden muss. Da scheint sich eine Menge Eiter gesammelt zu haben …“
„Halt! Erzähl mir nicht mehr. Bitte. Mir dreht sich auch schon so der Magen um. Mach einfach, dass es nicht mehr weh tut!“
Und das tat er. Sein Griff war oft schmerzhaft, meist aber sanft. Das Einrenken war furchtbar und das alles war mir schrecklich peinlich. Ich kam mir so nackt vor - was ich ja auch war.
Als es darum ging, den Knubbel aufzuschneiden, gab Brahn mir eine gruselige Suppe zu trinken. Gleich darauf schlief ich friedlich ein – und als ich aufwachte, war Mittag, mir tat alles weh und Tristan saß neben mir und hielt meine Hand.
„Alles gut?“, fragte er mich und ich nickte.
Alles gut.
Mir war zwar schwindelig, mein Magen revoltierte, aber dieser diffuse Schmerz in der Schulter war endlich fort.
„Bist du ein Heiler?“, nuschelte ich. Die Welt drehte sich noch etwas und meine Augenlider plumpsten immer wieder zu. In meinen Haaren spürte ich, wie sich Meeha Richtung Stirn vorkämpfte. Gleich darauf erschien ihre schnüffelnde Schnauze in meinem Blickfeld. Sie sah wohl nach dem Rechten.
„Sagen wir, ich verstehe etwas davon, aber ich kann nicht mit Magie heilen. Leider. Bei mir ist das alles mit Muskelkraft und Schmerzen beim Patienten verbunden.“
„Mir geht’s schon viel besser!“
Ich spürte, wie er mir über die Haare strich – und hörte, wie Meeha empört nach ihm schnappte. Sofort verschwanden die Hände.
„Vorsicht!“, grinste ich. „Alarmgesichert.“
Ich brauchte den ganzen Tag, bis ich mich halbwegs aufrichten konnte. Was immer in diesem Trank gewesen war: Es hatte mich umgehauen. Tristan entschuldigte sich vielmals. Die Dosierung sei wohl eher für einen Shadun gewesen.
Mir war das eigentlich egal. Es war das erste Mal, dass ich in einem Rauschzustand war – und es war eine interessante Erfahrung. Gegen Abend setzte sich Tristan wieder zu mir, so dicht wie zuvor. Er nahm auch wieder meine Hand.
Offenbar war ihm nicht entgangen, dass ich süchtig nach Berührungen war.
„Wir müssen über die Zukunft sprechen“, sagte er in einem sehr ernsten Ton.
„Jetzt?“, krächzte ich. Mir war immer noch schlecht und alles drehte sich – und er wollte über die Zukunft sprechen?
„Ja. Wir müssen Entscheidungen treffen, die nicht länger aufgeschoben werden können.“
Das klang … wichtig.
„Es ist so, Aeri: Du bist unsere beste Chance, Keelin wieder zurückzugewinnen. Er vertraut dir offenbar. Du hast auch gesagt, dass er sich schon wieder zurückverwandelt hat. Das ist ein sehr gutes Zeichen, aber es widerstrebt mir, dich allein hier zurückzulassen.“
Jetzt war ich ganz Ohr. Ich setzte mich so abrupt auf, dass die ganze Welt hüpfte und sich drehte. Fast hätte ich gekotzt, spürte dann aber Tristans sanfte Hände. Er drückte meinen Kopf nach unten zwischen meine Knie.
„Vorsicht. Nicht so schnell.“
Mit dem Kopf zwischen den Knien ging es tatsächlich ein bisschen besser. Tristan sprach ungerührt weiter:
„Was ich eigentlich sagen will: Du kannst gerne mit uns kommen. Wir haben einen Ort gefunden, an dem wir in Sicherheit sind. Einen Ort, den die Menschen nicht kennen. Ich will nicht sagen, dass wir damit alle Schwierigkeiten hinter uns gelassen haben – aber es geht uns ganz gut. Unsere Kinder verhungern nicht mehr und niemand trachtet uns nach dem Leben.“
Ich dachte an das, was Brahn zu mir gesagt hatte: dass es Ärger im Paradies gab. Aber davon sagte ich jetzt besser nichts.
„Du kannst also frei entscheiden. Wir erwarten nicht, dass du zu Keelin zurückgehst, zurück in deine Einsamkeit. Du kannst auch mit uns kommen. Und wer weiß? Vielleicht folgt dir Keelin dann sogar. Du hast die Wahl. Das wollte ich nur klarstellen.“
Es rührte mich. Ehrlich. Aber ich konnte Keelin nicht allein lassen. Das sagte ich dann auch.
„Dann werden wir dir eine neue Hütte bauen, dich mit Essen versorgen. Damit du besser über den nächsten Winter kommst. Okay?“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also nickte ich
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