Das Band der Magie
raus!“
Und noch ehe er reagieren konnte, schlang ich ihm das Seil ums Maul. Er legte sofort die Ohren an und ruckte mit dem Kopf herum. Seine blauen Augen funkelten wütend im Dämmerlicht.
„Hör auf, dich zu wehren! Du beißt mich sonst!“ Er sträubte sich gegen meinen Griff, aber ich ließ das Seil nicht los. „Ich verspreche dir, ich mach das Seil sofort wieder los, sobald die Pfeile draußen sind. Ehrenwort!“
Und tatsächlich: Dieses eine Wort wirkte. Er erschlaffte und ließ es zu, dass ich sogar seine Vorderpfoten mit dem anderen Ende des Seils verknotete. Jetzt wirkte er noch armseliger, aber das sagte ich natürlich nicht laut.
Auch ein Veddawolf hat Gefühle.
Ich inspizierte vorsichtig den Pfeil in der Seite. An den kam ich am besten heran, sozusagen eine Aufwärmübung für den schwierigeren Teil. Der Pfeil steckte bestimmt fünf Zentimeter im Fleisch, schabte vermutlich an den Rippen. Es musste höllisch weh tun.
„Ich muss dir ein paar Haare abschneiden!“, kündigte ich an und wartete gar nicht erst auf eine Reaktion. Stattdessen rasierte ich vorsichtig mit dem Messer die Einstichstelle frei. Keine leichte Aufgabe. Das Fell war völlig verklebt.
„Jetzt schneide ich die Wunde ein bisschen auf. Das tut jetzt weh!“ Dann ging alles ganz schnell. Ich schnitt, der Wolf zuckte, wirbelte herum, zuckte wieder – und brach dankenswerterweise zusammen. Für die nächsten fünf Stunden konnte ich an ihm herumdoktern, wie ich wollte. Er kam nicht wieder zu sich.
Ich schabte die Wunde aus, begutachtete sie und entschloss mich, sie zusätzlich noch auszubrennen. Sicher war sicher. Anschließend nähte ich, klatschte Wundkräuter auf die Narbe und verband die Stelle. Oder zumindest versuchte ich es: Da ich noch nie einen ohnmächtigen Wolf verbunden hatte, stellte ich mich dabei ziemlich ungeschickt an. Aber es musste ja nicht schön aussehen, es musste nur halten.
Bevor es an den anderen Pfeil ging, schnaufte ich kurz durch. Das war auch bitter nötig, denn ich zerrte danach fast eine halbe Stunde am Wolf herum, bis ich ihn in einer geeigneten Position liegen hatte. Schnell rasiert, Wunde aufgeschnitten, Pfeil raus und so fort. Das dauerte fast zwei Stunden.
Als diese Arbeit erledigt war, meldete sich mein Magen. Natürlich, ich hatte ja noch kein Frühstück gehabt. Der Wolf sah allerdings so armselig aus, dass ich ihn nicht allein lassen wollte.
Also versorgte ich erst noch seine völlig lädierte Schnauze und wagte mich auch an sein verletztes Auge heran, gab aber auf. Es war völlig zugeschwollen. Ich packte zwar eine Mischung aus Heilkräutern und Lehm darauf, hatte aber keine Ahnung, ob das etwas half. Zur Sicherheit wickelte ich ein bisschen Mull drum herum, um es vor Keimen zu schützen.
Weil ich schon mal dabei war, zog ich ihm noch an die zwanzig blutsaugende Käfer, schnitt seine Krallen (ich frage mich bis heute, wie ich auf die Idee kam) und puhlte ihm mehrere Äste aus dem völlig verstrubbelten Fell.
Und dann, ganz plötzlich, war ich fertig mit ihm. Klar. Ich hätte mich noch um sein Fell kümmern können und es gab noch jede Menge Schönheitskorrekturen, aber das Schlimmste war erledigt.
Ich streckte meinen verkrampften Rücken und stand auf. Dem Licht und meinem Hunger nach zu urteilen, musste es früher Nachmittag sein.
Die nächsten zwei Stunden beschäftigte ich mich damit, eine Suppe zuzubereiten – mit viel Fleisch. Ich bemühte mich, dem Wolf ein paar Löffel davon einzuflößen, aber das Tier schluckte nicht. Kein gutes Zeichen.
Dann versuchte ich, Meeha unter dem Schrank hervorzulocken, hatte aber selbst mit Möhren keinen Erfolg. Weil sie aber bestimmt hungrig sein musste, schob ich ihr eine unter den Schrank. Wenn sie schon Angst hatte, sollte sie nicht auch noch hungern.
Als es Sekunden später unter dem Schrank knurspelte, war ich erleichtert. Meeha lebte also noch. Gut.
Die Ziege verschmähte allerdings alles, was ich ihr reichte. Sie hatte vor Schreck ihren kompletten Darm entleert und es stank fürchterlich, ansonsten rührte sie sich nicht.
Nach zwei weiteren Stunden begann ich, mir ernsthafte Sorgen zu machen. Ich überprüfte ständig, ob der Wolf noch atmete, was er zwar tat, aber nur ganz flach. Die Ohnmacht hielt ihn weiter gefangen.
Ich verließ die Hütte nur, um mich zu erleichtern und Holz zu holen. Da dämmerte es draußen schon und der Wald lag still und unheimlich da. Keine Geister weit und breit. Die Anwesenheit des Wolfes hatte sie
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