Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
gründen?«, fragte Bobby. »Zu mir gehören? Mit mir zusammen deine Tochter nach Hause holen?«
Erwartungsvoll legte er den Kopf schief und biss sich auf die Lippe, während er ihrer Antwort harrte. Schließlich antwortete er für sie: »Sag jetzt nichts. Trag ihn einfach ein paar Tage lang – eine Woche.« Er lächelte. »Vielleicht einen Monat. Trag ihn zur Probe. Er fühlt sich vielleicht besser an, als du denkst.«
Sie spürte das Gewicht des Rings, der wahrscheinlich mehr wert war als die Summe all ihrer Habseligkeiten zusammengenommen. Ein schwacher Sonnenstrahl traf den Diamanten und ließ ihn in Regenbogenfarben erstrahlen.
Der einzige echte Schmuck, den ihre Mutter je besessen hatte, waren ein Paar Liebesknoten-Ohrringe und ein Medaillon. Tia bewegte die Hand nach rechts, um sie ins Sonnenlicht zu halten. Ihrer Mutter hätte dieser Ring gefallen. Es hätte ihr gefallen zu wissen, dass Savannah wieder bei Tia war. Und Bobby hätte ihr auch gefallen.
Nachdem Bobby eingeschlafen war, schlich sie sich ins Wohnzimmer. Was wäre, wenn Savannah jetzt schon bei ihr wäre? Was, wenn sie tat, was Bobby wollte? Was würde passieren, wenn er nicht zu Hause war? Würde sie sich im Haus gefangen fühlen?
Wie alt musste ein Kind sein, bis man es ein paar Minuten lang allein lassen konnte? Wie lange würde es dauern, bis man keinen Babysitter mehr brauchte? Sie würde wahrscheinlich ihren Job aufgeben müssen. Andererseits brauchte sie eine Arbeitsstelle, um sich vor Gericht als würdig zu erweisen.
Aber danach? Würde Bobby von ihr erwarten, dass sie zu Hause blieb? Tia erinnerte sich, wie sie nach der Schule im verdunkelten Wohnzimmer vor dem Fernseher gesessen hatte. Nachdem sie sich mit Robin angefreundet hatte, konnte sie wenigstens mit jemandem über die Fernsehsendungen reden. Aber im Haus war es immer noch einsam gewesen. Nur sie und ihre Mutter.
Aber sie würden ja nicht nur zu zweit sein. Bobby wäre ja auch noch da.
»Du willst ihn heiraten? Nach Southie zurückziehen? Bist du verrückt?«
»Warum kannst du dich nicht einfach für mich freuen, Robin?«
»Okay, meinetwegen. Ich freue mich für dich!«
»Was trinkst du da?«, fragte Tia. Auf dem Skype-Bildschirm hob Robin ein Glas und prostete ihr zu.
»Weißwein.«
»Aus einem Marmeladenglas?«
»Ich hab keine Kristallgläser, wie du sie zur Hochzeit bekommen wirst. Tut mir leid.«
»Wie spät ist es bei euch?«, flüsterte Tia. Es war Mitternacht in Jamaica Plain. Bobby war schon vor zwei Stunden eingeschlafen, nachdem sie sich zur Feier des Tages geliebt hatten, was Tia fast zum Weinen gebracht hätte. Bobby war so zärtlich gewesen, als wäre sie zerbrechlich, eine Glasfigur.
»Neun. Kannst du dir nicht mal endlich den Zeitunterschied merken?«
»Nein.« Tia trank ihren Whiskey aus.
»Ist es das, was du willst?«, fragte Robin.
Tia presste die Lippen zusammen und konzentrierte sich auf das Bild von sich und Savannah, wie sie den Day Boulevard überquerten und an den Strand gingen. Sie spürte Savannahs kleine Hand in ihrer. Sie stellte sich vor, dass Savannah einen blauen Badeanzug mit weißen Sternchen trug, einen, den Bobbys Schwes ter, Savannahs Tante Eileen, ihr gekauft hatte.
»Tia, Tia«, sagte Robin.
Tia schloss die Augen.
»Weinst du?«
Tia schüttelte den Kopf.
»Doch, du weinst. Ich sehe es dir an.«
Tia zuckte die Achseln.
»Bist du allein?«
»Nein«, flüsterte Tia. »Ja.«
35. Kapitel – Juliette
J uliette umklammerte das Steuer, als sie den kurvenreichen Jamaicaway entlangfuhr. Die vierspurige Straße war nicht viel breiter als eine normale zweispurige Landstraße. Der kleinste Fehler würde zu einem Frontalzusammenstoß führen. Zwischen den Fahrspuren war kaum eine Handbreit Platz, alle paar hundert Meter sprang eine Ampel auf Rot, und Radfahrer schlängelten sich durch die Blechlawine, als wären die Radwege nur dazu da, den Radfahrern ab und zu eine Verschnaufpause zu gönnen von ihrer Mission, die Autofahrer zu quälen.
Als sie das letzte Mal diese Strecke genommen hatte, war sie unterwegs gewesen, um Tia auszuspionieren. Keine angenehme Erinnerung.
Diesmal wusste Nathan wenigstens, was sie vorhatte. Die Erleichterung darüber, dass sie ihr Treffen mit Caroline nicht verheimlicht hatte, beruhigte ihre blank liegenden Nerven wenigstens ein bisschen. Jede Entschuldigung, die sie sich zurechtzulegen versuchte, um zu erklären, warum sie in Carolines Leben eingedrungen war, klang entweder verrückt oder
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