Das Banner des Roten Adlers
des
Prinzen und wandte sich dann an den Oberst. »Bringen Sie den Mann zurück ins
Schloss, geben Sie ihm ein Glas Branntwein zu trinken und überlassen Sie den
Kräften
der Natur
das
Übrige.
Neumann,
wo
sind
Sie?
Nehmen
wir
uns
die
Barrikaden vor ...« Unterdessen zogen die Studenten mit ihren Flugblättern weiter
durch das Gewirr der Gassen und Plätze der Altstadt und verbreiteten die Nachricht
von Flucht und Hoffnung. Miroslav Kovaly, einer der beiden bejahrten Flussräuber,
war gerade auf der Suche nach etwas Essbarem für ihren Gast aus dem Wasser, als
ein junger Mann ihm ein Flugblatt in die Hand drückte. »Bitte schön, Alterchen! Lies
das mal und zeig es auch den Lieben daheim!« »Mach ich, mach ich. Danke dir ...«
Das Schaukeln des Zugs ließ Jim keinen Schlaf finden. Sein Arm lag unter Adelaides
Kopf. Sie schlief noch, und als er ihn wegziehen wollte, rührte sie sich und murmelte:
»Geh nicht fort ...« Er küsste sie und setzte sich auf, dann bewegte er die Schulter,
um das taube Gefühl darin loszuwerden.
Kein Zweifel, der Zug schlingerte wie ein Schiff in stürmischer See. Das Schütteln war
so heftig, dass Adelaides Samttäschchen und Jims Jacke von den Haken gerutscht
waren.
»Wach auf!«, sagte er und rüttelte sie an der seidigen Schulter. »Bitte, Liebes - um
Gottes willen -« »Was gibt's denn?« Noch ganz benommen, setzte sie sich auf,
spürte das Schaukeln des Zuges und schlang Halt suchend die Arme um Jims Hals.
»Jim - was ist denn hier los?«
»Mir scheint, der Zug fährt ohne Führer. Ich schaue mal nach. Zieh dich an und
kümmere dich um die Fahne. Bleib hier neben dem Bett für den Fall, dass der Zug
entgleist - hier ist es wenigstens weich.« Jim zog seine Jacke an, schnürte sich mit
energischen Bewegungen die Schuhe und hob Adelaide dann zu sich in die Arme.
»Ich liebe dich«, sagte er. »Verstehst du? Mehr als alles auf der Welt. Leben, Tod,
Raskawien, England, das zählt alles nicht neben dir. Ich habe bis jetzt nie davon
gesprochen, aber ich muss es dir wenigstens einmal sagen.«
Sie barg ihr Gesicht an seinem Hals. Ohne hinzuschauen streichelte er ihr reiches,
duftendes Haar und hörte sie sagen: »Jim, von allen Männern, die ich gekannt habe,
bist du der einzige, den ich je geliebt habe, und zwar seit dem Tag, als ich dich zum
ersten Mal im Büro von Lockhart & Garland gesehen habe ... Ich habe dich immer
geliebt, Jim -«
Dann folgte eine Explosion, die sie einige Monate zurück an einen sonnigen Morgen
in St. John's Wood versetzte, denn es klang so, als ob eine Bombe hochgegangen
wäre. Einen Augenblick später ging ein Ruck von bisher nicht gekannter Heftigkeit
durch den Zug. Der Wagen schlingerte, kippte und fiel krachend um. Die beiden
wurden gegen die Wand geschleudert, aber was jetzt Wand oder Fußboden oder
Decke war, hätten sie nicht sagen können. Sie kämpften atemlos mit dem Bettzeug,
dann folgte ein Zischen, als ob irgendwo Gas ausströmte, und gleich darauf rochen
sie es auch; dazu der Hitzeschwall von ausgeworfenen Kohlen und rot glühendem
Eisen
Jim
kam
durch
Schmerzen
zu
Bewusstsein.
Sein
Bein
war
eingeklemmt.
Mit
äußerster Anstrengung zerrte er es unter dem Hindernis hervor, fiel nach hinten und
zerbrach
eine
Glasscheibe.
Er
richtete
sich
wieder
auf,
fand
Adelaide halb
ohnmächtig und mit einer Schnittwunde über dem Auge und befreite auch sie. Sie
war im Nachthemd. In dem Durcheinander von Kissen und Bettzeug entdeckte Jim
ihren dunklen Mantel und zog ihn hervor. Als er sich aufrichtete, stieß er sich den
Kopf. Fluchend schlug er dann das übrige Glas aus der Fensterscheibe.
»Komm«, sagte er und hob sie hoch. Sie war leicht wie ein Kind. Er schob sie durch
die Öffnung und hob dann auch ihre Füße, so dass sie ganz herauskam. »Sieh zu,
dass du von der Lok wegkommst«, rief er.
»Ich suche unterdessen nach Becky.« Da entdeckte er einen ihrer Stiefel. Adelaide
war barfuß im Schnee. Also ging er nochmals zurück in das Durcheinander im ersten
Wagen,
der
nun
in
einen
flackernden
Feuerschein
getaucht
und
vom
Zischen
ausströmenden Gases erfüllt war. Ein paar Sekunden wühlen, dann hatte er den
zweiten Stiefel gefunden und kletterte mit beiden nach draußen.
»Geh zurück und hol die Fahne! Aber rasch!« Sie nickte, sah mit ihren bezaubernden
dunklen Augen zu ihm auf und zog ihre Stiefel an. Dann stapfte sie zum Salonwagen
zurück. Andere Stimmen drangen zu Jim herüber, bis Arme und Köpfe und dann
ganze Körper aus dem demolierten Wagen
Weitere Kostenlose Bücher