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Das Banner des Roten Adlers

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Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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mich
auf
dich«,
sagte
Jim
    Mitternacht,
und
jetzt
merkte
er,
dass
beim
Schlag
der
Domglocke.
Es
war
der größte
Teil
der ausgezeichneten
    Bratwurst und fast das ganze Bier als Wurfgeschosse verwendet worden waren und
sein Magen leer ausgegangen war. Nun hatte er einen Bärenhunger. Dieser Effekt
stellte sich bei ihm immer nach einer Rauferei ein. In London wäre er in den
nächsten Kaffeeausschank getreten oder bis nach Smithfield gegangen, wo in den
Steakhäusern auch nach Mitternacht noch großer Andrang herrschte. Doch hier in
Eschtenburg kannte er sich nicht aus, also fragte er Karl, wo man noch etwas
Warmes zu essen bekäme. Doch der Student winkte ab. »In Eschtenburg geht man
früh zu Bett«, sagte er. »Aber du kannst zu mir kommen, ich habe noch Brot und
Käse und etwas zu trinken wird sich auch noch finden ...«
    Und
so
stiegen
sie vier
Treppen
bis
in
Karls
Studentenbude,
hoch
über dem
Universitätsplatz. Von seinem Fenster aus, erläuterte Karl, habe man, wenn man mit
einem Fuß in der Dachrinne stehe, einen schönen Blick auf die bewaldeten Höhen
im Norden. Jim glaubte ihm unbesehen. Bei Kerzenschein teilten sie ein karges
Nachtmahl aus trockenem Brot, hartem Käse und Zwetschgenschnaps, während Karl
ihn über die politische Lage in Raskawien, über die Trink- und Duellsitten und den
Ernst des Studentenlebens hierzulande aufklärte. Und je länger sie miteinander
plauderten, desto besser konnten sie sich leiden.
Am folgenden Tag hatte Jim ein vertrauliches Gespräch mit dem Prinzen, in dem er
ihm von der Rauferei im Bierkeller berichtete.
    »Die Leute wissen von Ihrer Heirat und warten auf den ersten offiziellen Auftritt der
Prinzessin. Je länger Sie sie von der Öffentlichkeit fern halten, desto mehr Gerüchte
kommen über sie in Umlauf, und das ist schlecht für Ihre eigene Position. Können Sie
nicht mit Seiner Majestät darüber sprechen und ihm so etwas wie eine offizielle
Bekanntgabe vorschlagen? Vielleicht sogar eine feierliche Messe im Dom?«
    »Das dürfte zum jetzigen Zeitpunkt schwierig sein ... Der Hof trauert noch um
meinen Bruder und seine Frau •.. Taylor, wer trachtet uns nach dem Leben?« »Das
versuche ich gerade herauszufinden. Ich glaube
    nicht,
dass
Glatz und
seine geifernden
Korpsstudenten
eine ernsthafte Gefahr
darstellen. Aber sie sind ein Symptom. Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die
Frau.«
»Welche Frau denn?«
     
»Erinnern Sie sich noch an den nächtlichen Besuch im Garten?«
     
»Eine Frau?«
    »Ich war mir nicht sicher. Aber dann haben mir die Jungs von der irischen Garde
erzählt, dass sie die Person bis in ein Varietetheater verfolgt haben, wo sie von einer
Schauspielerin
in
den
April
geschickt
wurden.
Da
ist
mir
plötzlich
ein
Licht
aufgegangen ... Sir, ich habe Sie noch nicht danach gefragt und werde es auch nicht
ein zweites Mal tun: Hatten Sie jemals eine Beziehung zu einer Schauspielerin? Und
könnte diese Frau Grund haben, sich an Ihnen zu rächen?«
Die Frage verwirrte den Prinzen so sehr, dass Jim ihm seine Beteuerung, er habe
keine solche Frau je gekannt, sofort glaubte.
    »Aber Sie müssen Ihre Heirat auf die eine oder andere Art öffentlich bekannt
machen«, sagte er. »Staatstrauer hin oder her, nur so bekommen Sie das Volk auf
Ihre Seite.«
    Noch etwas anderes ließ Jim keine Ruhe und das war der tote Prinz Leopold. Die
Ehrungen für den ermordeten Kronprinzen Wilhelm und dessen Ehefrau nahmen
kein Ende: Nachrufe in den Zeitungen priesen seinen Eifer und ihren Liebreiz; ihre
Porträts, als Fotografie oder als Stich mit schwarzem Trauerrand, gab es überall zu
kaufen; in den Berichten über die Fahndung nach den feigen Attentätern hieß es, je
nach Zeitung, es gebe Spuren, die nach Brüssel, St. Petersburg oder Budapest
führten. Nur verliefen alle Spuren irgendwann im Sand. Von Prinz Wilhelm wurde zu
viel Aufhebens gemacht, während man über seinen älteren Bruder, den ersten Sohn
des Königs, kein Wort verlor. Es war so, als wäre sein Name aus den Annalen der
Geschichte gestrichen worden.
    Doch damit nicht genug. Immer wenn Jim nach ihm fragte, stieß er auf frostige
Reserviertheit: Die Leute runzelten die Stirn oder hielten die Luft an. Selbst Graf
Thalgau zeigte sich unwillig, über Leopold Auskunft zu geben.
    »Das ist alles schon lange her«, winkte er ab. »Es führt zu nichts, alte Skandale
wieder aufzuwärmen. Der Prinz ist tot; unsere Aufgabe ist es, den gegenwärtigen
Prinzen zu schützen. Wobei haben Sie sich eigentlich dieses blaue

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