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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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des Gegners, die Bestimmung der Sekundanten, die
Wahl der Waffen, der Hilfe leistende Arzt oder Sanitäter - und zum Schluss Jim, der
mit einer tödlichen Verwundung weggetragen würde. Nicht zum ersten Mal in
seinem Leben dankte Jim den Göttern, dass er nicht als Gentleman geboren worden
war. Er ballte die Faust und versetzte Glatz einen harten Schlag auf die Nase.
    Der Mann fiel wie eine Tanne, und sofort begann eine Schlägerei, wie sie Jim seit der
Nacht, als er nach einem Streit wegen zweitausend Guineen aus einem Londoner
Spielklub geworfen worden war, nicht mehr erlebt hatte. Tische kippten, Bänke
zerbrachen, Bierkrüge flogen wie Kanonenkugeln durch die Luft. Die Raskawier waren rauflustige Burschen. Jim erkannte an dem Eifer, mit dem sie sich in dem engen
Keller in den Kampf stürzten, welche Wut sich offenbar in ihnen aufgestaut hatte.
    Die Lage hätte brenzlig werden können, doch bei solch einer Keilerei war ein auf der
Straße groß gewordener Flegel einem Gentleman, mochte er noch so gut trainiert
sein, einfach überlegen. So legte er die ersten drei Rot-Schwarzen binnen Sekunden
auf die Bretter, dann trat er zurück und hielt nach dem nächsten Schwung Gegner
Ausschau.
    Dann sah er Glatz, dem das Blut immer noch aus der Nase lief, auf einen am Boden
liegenden Grün-Gelben einschlagen. Jim trat ihm die Beine weg und wollte ihn
gerade ins Gebet nehmen, als er wohl bekannte Geräusche hörte. Polizisten hörten
sich überall auf der Welt gleich an: Schritte von schweren Stiefeln, Pfiffe aus
Trillerpfeifen und energisches Hämmern an der Tür. Das Klügste, was man in einem
solchen Fall tun konnte, war das Weite zu suchen. Er griff nach seiner Jacke, packte
von Gaisberg am Arm und zog ihn in Richtung Küche. Die Bedienung sprang wie ein
Floh zur Seite, dann waren sie schon in einem dunklen Hinterhof, liefen durch eine
Gasse
und
gelangten
in
einen
Park,
wo
sie
sich
auf
einer
Bank
unter
Zierkirschbäumen niederließen. Karl konnte sich vor Lachen kaum halten. »Haben
Sie Glatzens Gesicht gesehen, als er Ihren Schlag auf die Nase bekam? Er wollte es
gar nicht glauben. Und Schreiber - als der auf die Bank sprang und das andere Ende
schnellte hoch und traf Vranitzky am Kinn - einfach köstlich! Ja, Mr Taylor«, sagte er
bewundernd, »Sie sind ein toller Kämpfer, was Sie auch sonst im Leben machen.
Wer sind Sie? Und was liegt Ihnen so sehr an unserem Prinzen?« Jim wischte sich
das Blut von der Wunde an der Hand, die wieder aufgesprungen war. Im hellen
Mondlicht sah er die zerzausten Locken und die glänzenden Augen des Studenten,
die Risse in
seinem
Rock
und
die
herabhängenden
Schulterklappen.
Von
den
umliegenden Straßen und von der anderen Flussseite drang der Verkehrslärm der
Hauptstadt. Der Fluss glänzte wie Zinn am Fuß des Felsens, über dem die Adlerfahne
unter einem Sternenhimmel wehte. Jim gab sich einen Ruck. »Also gut, aber das ist
eine lange Geschichte«, sagte er. »Es begann vor zehn Jahren in London ...«
    Er erzählte von Gaisberg alles, angefangen von Adelaides erstem Auftauchen, als sie
noch ein kleines ver-huschtes Mädchen war, das den Duft der Pension Holland
verbreitete, bis zu der warmherzigen Aufnahme, die sie am Abend zuvor bei dem
alten König gefunden hatte, worüber er einen vollständigen Bericht aus Be-ckys
Mund besaß.
Der Student saß da und staunte. Als Jim mit Erzählen fertig war, schlug sich Karl aufs
Knie, lehnte sich zurück und pfiff durch die Zähne.
    »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass ich mit meiner Erzählung ein Risiko
eingegangen bin«, sagte Jim. »Aber ich habe Sie kämpfen sehen. Deshalb glaube ich
nicht, dass es den Interessen des Prinzen schadet, wenn Sie die ganze Wahrheit
kennen. Sicherlich werden bald alle möglichen Gerüchte kursieren - Glatz hat schon
eines aufgeschnappt -, und das Schlimme ist, dass einige stimmen. Sie kommt
wirklich aus den ärmsten Vierteln Londons und sie kann kaum lesen und schreiben.
Aber sie ist hart im Nehmen, klug und warmherzig und sie wird bis zum Umfallen für
den Prinzen kämpfen.
Nun wissen Sie Bescheid. So ist die Prinzessin, und das sind die Gründe, weshalb ich
hier bin. Wir könnten uns duzen. Darf ich auf dich zählen?«
    Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, drückte Karl von Gaisberg Jims Hand und
gelobte, dass sich alle Kameraden vom Richterbund, wie sich die Partei der GrünGelben nannte, für die Sache des Prinzen und der Prinzessin einsetzen würden.
»Ich
verlasse

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