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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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in dieser Sache.
Sie sind in Gefahr, machen Sie sich das klar. Was geht da eigentlich vor?« Sie legte
eine Hand an die Brust und schloss die Augen. Etwas wühlte in ihr und dann begann
sie leise zu weinen.
    »Ich wollte nichts Böses tun! Ich habe alles nur aus Liebe getan! Was haben Sie jetzt
vor? Wollen Sie mich an Baron Gödel verraten? Er würde mich erschießen lassen!
Und wem wäre damit geholfen?« »Sie erzählen«, sagte Jim, »und ich höre Ihnen zu.
Wir sind ungestört und haben viel Zeit. Erzählen Sie mir einfach alles.«
    Die alte Frau legte sich ins Bett und zog zitternd die Decken bis zum Kinn hoch, so
kalt schien ihr zu sein. »Ich war Prinz Leopolds Kinderfrau«, begann sie. »Nicht nur
seine, auch die der anderen, aber ihn liebte
    ich am meisten. Als er heiraten wollte, hat er zuerst mir davon erzählt. Er hat seine
Frau veranlasst, sich mit mir heimlich zu treffen. Ihm war es wichtig, dass ich seine
Wahl bestätigte. Er stand mir so nahe wie kein anderer Mensch. Sie war nicht
gerade die Frau, die ich gewählt hätte, aber nun gut, es war nicht meine Sache, für
ihn eine Frau auszusuchen. Jedenfalls liebte sie ihn, auf ihre Art. Sie war feurig und
leidenschaftlich, stand aber treu zu ihm, und das war es, was er dringend brauchte.
Er fürchtete sich vor seinem Vater, vor Baron Gödel, ja sogar vor seiner Pflicht.
    Ich behielt das Geheimnis der beiden für mich, aber es kam, wie es kommen musste.
Jemand am Hof kam dahinter und man verbannte die Frau, während man ihn nach
Ritterwald brachte. Mein Mann war damals Jagdmeister. Man sagte ihm, was er zu
tun hatte: Er sollte Prinz Leopold zur Schwarzwildjagd mit in den Wald nehmen und
einen Keiler erlegen. Es sollte aber so aussehen, als ob der Keiler erst den Prinzen
getötet hätte. Im Wald begegneten sie Männern, die den Prinzen festnahmen und in
die Irrenanstalt nach Neustadt brachten. Dort wurde er gefangen gehalten. Ich
kenne die Geschichte, weil Baron Gödel mich dafür bezahlte, dass ich mich um den
Prinzen kümmerte.« »Dann war es also Baron Gödels Plan?«
»Oh ja.«
     
»Wusste der König davon?«
     
»Das ging mich nichts an. Für den König war Prinz Leopold sowieso gestorben,
seitdem er diese Frau geheiratet hatte.«
    »Dann war es Gödels Spiel, ihn am Leben zu halten ... Aber der arme Leopold hat
den Verstand verloren.« »Hätten Sie das an seiner Stelle nicht auch? Man hält ihn in
einem Loch unter der Erde, er darf mit niemandem reden, und die Welt weiß nicht,
dass er noch lebt. Da musste er ja wahnsinnig werden. Ich habe alles getan, um ihm
zu helfen, konnte aber nicht verhindern, dass der Wahn nach und nach über ihn kam
wie ... wie Spinnweben in einem leeren Zimmer. Oh, wie oft habe ich mich verflucht.
Ich betete, dass irgendeine höhere Macht die Zeit um zehn Jahre zurückdrehte.
Mein
armer Mann
wusste,
was
er getan
hatte,
und
konnte sich
nicht
damit
abfinden. Er hat sich wenig später selbst gerichtet. Ich habe mich mein ganzes Leben
lang um Prinz Leopold gekümmert - als Säugling, als kleiner Junge, als junger Mann,
als Gefangener und als Geisteskranker. Ich habe ihn in Neustadt gepflegt, und auch
als man ihn unlängst hierher gebracht hat, bin ich gekommen, um in seiner Nähe zu
sein ...« »Warum hat ihn Gödel überhaupt hierher gebracht?« »Ich weiß es nicht.
Das geht mich nichts an. Ich vermute, dass der Baron diese junge Engländerin vom
Thron stürzen will ... Sind Sie Engländer?« »Ja.«
»Das dachte ich mir. Einer von ihren Dienern?«
    »Ja. Und Sie sollten ihr auch dienen, Frau Busch. Sie ist das Oberhaupt dieses
Landes, nicht Gödel. Was er tut, ist Hochverrat, und wenn Sie ihm bei seinen
Intrigen
helfen,
machen
Sie sich
mitschuldig.
Erzählen
Sie mir
jetzt
von
der
Schauspielerin. Wie heißt sie doch gleich?«
»Carmen Ruiz ist ihr Künstlername. Sie benutzt noch andere Namen.«
    »Warum haben Sie sie heute Nacht in die Grotte geführt? Gehört das auch zu
Gödels Plan?« »Nein! Gott behüte! Er weiß nichts von ihr. Ich bin wegen des Prinzen
mit ihr in Verbindung geblieben. Prinz! Ha, er ist der rechtmäßige König und sie ist
die Königin. Diese Engländerin ...«
    »Kennen Sie die Geschichte Ihres Landes nicht mehr? Königin Adelaide ist die
Adlerträgerin, und zwar die rechtmäßige. Glauben Sie etwa, dieser arme kranke
Mann
könnte
die Regierungsgeschäfte
übernehmen?
Er
ist
zu
nichts
mehr
zu
gebrauchen. Was dachten Sie eigentlich, was geschehen würde, als Sie seine Frau hineinzogen? Wussten Sie,

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