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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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weiter zu
beachten, stürmte er zur Tür, gefolgt vom Adlatus.
    Der Oberhofmeister war den Gang schon zur Hälfte hinuntergeeilt, da hielt er
plötzlich inne. Er war ein bedachtsamer, vorsichtiger, ja ängstlicher Mann, der gewöhnlich nichts dem Zufall überließ. Wenn er einmal spontan handeln musste,
fühlte er sich unsicher. Er winkte den jungen Mann zu sich.
    »Die Deutschen wollen die Fahne«, sagte er. »Sie wollen, dass ich ihnen die Fahne
übergebe. Aber wenn ich sie habe - wenn sie in meiner Hand ist ...« Mit einem
bohrenden Blick drängte er den Adlatus zu einer Antwort.
»Dann brauchen Sie ihnen die Fahne gar nicht zu geben«, antwortete der.
    »Richtig. Nun hören Sie genau zu. Bestellen Sie eine Kutsche zum Westeingang, die
mich zum Felsen bringt. Dann sagen Sie der alten Kinderfrau, sie soll Prinz Leopold
wecken und ihm beim Ankleiden helfen. Sobald er fertig ist, lassen Sie ihn in einer
geschlossenen Kutsche zum Bahnhof Botanischer Garten bringen. Haben Sie mich
verstanden?«
    Der Adlatus wiederholte alles. Gödel fuhr fort: »Dann gehen Sie zum Bahnhof
Tristan-Brücke und
ordnen
an, dass
eine Lokomotive vor
den
königlichen
Zug
gespannt wird. Der Zug soll erst zum Bahnhof Botanischer Garten und dann weiter
nach Prag fahren. Aber achten Sie um Gottes Willen darauf, dass die Deutschen
nicht merken, was wir vorhaben.«
»Lokomotive - königlicher Zug - Botanischer Garten -Prag«, wiederholte der Adlatus
beflissen und eilte davon.
     
Baron Gödel wischte sich die Stirn und lenkte seine Schritte zu seinen Privaträumen,
um eine Reisetasche zu packen.
     
Unterdessen hatte die Gräfin den Zettel, den der Oberhofmeister hatte fallen lassen,
aufgehoben und las die Meldung ihrem Ehemann vor.
    Er hörte ihr mit düsterer Miene zu, dann sagte er zu seiner Frau: »Minna, steht der
Soldat noch vor unserer Tür? Sind wir immer noch unter Arrest?« Sie sah nach. »Da
ist niemand.« »Wo ist mein Feldstecher?«
    Vielleicht war das doch alles zu viel für ihn, dachte seine Frau. Sie hatte schon früher
am Tag, als seine grenzenlose Verzweiflung und Selbstverachtung spürbar geworden
waren,
vorsichtshalber die
Kugeln
aus
seinem
Revolver
genommen.
Jedenfalls
konnte er sich mit einem Feldstecher nichts antun.
Sie brachte ihm das Lederetui und setzte sich bekümmert nieder.
    Adelaide und die Studenten des Richterbundes schlichen durch dunkle Straßen zum
Felsen von Eschten-burg. Die Unruhe kam aus anderen Teilen der Stadt: ferne
Schreie,
klirrende Fensterscheiben,
hin
und
wieder
ein
Knall,
der auch
ein
Pistolenschuss hätte sein können. Die kleine Schar blieb im Schatten der Häuser und
huschte schweigend durch schneebedeckte Gassen.
    Als sie am Fuß des Felsens ankamen, verfügte sich jeder an einen anderen Ort. Ein
Student ging zum Bahnhof Tristan-Brücke, um auszuspähen, was dort ablief. Ein
anderer besorgte eine Kutsche und Pferde. Karl ging mit vier Kameraden auf die
andere Seite des Felsens, um den Pfad zu nehmen, auf dem Adelaide am Krönungstag die Fahne auf den Gipfel getragen hatte. Das Risiko bestand hier darin,
dass sie gut sichtbar sein würden, denn diese Seite des Felsens lag offen zu Fluss und
Brücke hin. Der Rest der Schar, zu dem auch Jim, Becky und Adelaide gehörten, ging
zur Talstation der Standseilbahn.
    Nicht dass sie vorhatten, die Seilbahn zu nehmen, denn das wäre noch auffälliger
gewesen, als den Pfad zu Fuß hinaufzugehen. Außerdem hätte man dazu den Stationsvorsteher bemühen müssen und dieses Risiko wollten sie nicht eingehen.
Aber die
Seilbahn fuhr
auf
Schienen, die auf Schwellen
ruhten. Diese
stiegen
treppengleich die Flanke des Felsens hinauf, und wenn sie diesen Weg nahmen,
würden sie gegen den dunklen Schienenstrang weniger auffallen.
    An der Talstation angekommen, lag das Haus des Stationsvorstehers, das auch als
Fahrkartenschalter und Warteraum diente, dunkel und still vor ihnen. Am Bahnsteig
stand der eine Wagen, der über das lange Seil mit dem anderen oben in der
Bergstation verbunden war.
    Becky wurde bestimmt, unten zu warten und sich hinter den Sträuchern neben den
Schienen zu verstecken. »Hier«, sagte Jim und reichte ihr ein Knäuel Wolle. »Was
soll ich damit?«
»Signal geben. Du hältst es am Ende fest und ziehst kräftig, wenn Gefahr droht. Fritz
wickelt es ab, während wir nach oben steigen.«
    Becky band sich das Ende des Fadens um den Zeigefinger, damit sie ihn nicht
verlieren konnte. Dann raffte Adelaide ihren Mantel, stieg über den Zaun und nahm
den

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