Das Banner des Roten Adlers
steilen Weg die Bahnschwellen hinauf. Es gab nur ein Gleis, das sich der
bergwärts und der talwärts fahrende Wagen teilten. An der Stelle, wo sie sich trafen,
genau auf halber Strecke, gabelte sich das Gleis, und jeder Wagen schwenkte nach
einer Seite aus. »Viel Glück!«, wünschte Becky den anderen. Sie setzte sich auf
ausgemusterte Schwellen im Schatten der Sträucher. Auf gleicher Höhe wie ihre
Augen waren die Räder des Wagens, der auf dem abschüssigen Gleis nach oben zu
ragen schien, und hinter den Puffern lag die stille Talstation mit den geschlossenen
Fensterläden und dem schneebedeckten Dach unter dem dunklen Himmel. Zu ihren
Füßen verlief ein kleiner Bach. Sie tauchte eine Hand hinein, benetzte sich die
Lippen mit dem eiskalten Wasser und dachte: Walter von Esch-ten trank aus dieser
Quelle, als er hier kämpfte ... Das Ende des Wollfadens zuckte leicht, als die anderen
ihren Aufstieg begannen.
Auf halber Strecke war das Wollknäuel abgewickelt. Fritz gab Bescheid und Jim
reichte ihm
ein
weiteres.
Schneeschicht
lag
auf
den
Fritz verknotete die Enden
Schwellen,
die sie für
den
miteinander.
Eine dicke
Aufstieg
benutzten.
Sie
befanden sich hoch über den Dächern der nächstgelegenen Häuser, und Jim befürchtete, dass sie gesehen werden könnten. Zwar hatte man von dieser Seite des
Felsens aus keine Sicht auf die wichtigsten Straßen und Plätze, den Dom, die Brücke
und das Schloss, aber das aus Eisen und Glas bestehende Dach des Bahnhofs TristanBrücke schimmerte unweit von ihnen, und Jim schien es so, als könnte er einen
Menschenauflauf davor erkennen. Im Schatten der Sträucher hinter ihnen hörte er
Wasser plätschern. Das musste die Quelle sein, dachte er, die den Tank für den
Wagen in der Bergstation speiste. »Wie funktioniert eigentlich die Standseilbahn?«,
fragte er den Studenten, der neben ihm ging. »Der Tank des oberen Wagens wird
mit Wasser gefüllt, dann ist der schwerer als der untere Wagen und fährt bergab,
wobei er den unteren hochzieht. Der Wagenführer kann die Geschwindigkeit mit
einer Bremse drosseln. Während die Fahrgäste ein- und aussteigen, wird der Tank in
der Bergstation gefüllt und in der Talstation geleert. So einfach ist das.« »Und lässt
man den Tank des oberen Wagens gefüllt und fahrbereit?«
»Das weiß ich nicht. Haben Sie vor, im Wagen nach unten zu fahren?«
»Ich frage bloß aus Neugierde.«
Sie sprachen nicht mehr, bis sie die Bergstation auf dem Gipfel erreicht hatten. Der
obere Wagen sah aus, als würde er jeden Augenblick talwärts rattern und sie
überfahren. Jim war froh, das Gleis verlassen und auf den Bahnsteig klettern zu
können. Wie der Wagen bestand der Bahnsteig aus zwei Abschnitten auf verschiedenen Ebenen. Fritz blieb mit dem Wollknäuel in der Hand auf der unteren Ebene,
während Jim, Adelaide und die anderen die Stufen zum oberen Bahnsteig nahmen.
Dort befand man sich auf gleicher Höhe mit dem Gipfel des Felsens, dem kleinen
ebenen Platz, auf dem Adelaide gekrönt worden war. In der Mitte stand der Fahnenmast, an dem die Fahne starr und fest hing. Außer einem Wachhäuschen gab es
kein weiteres Gebäude auf dem Gipfel.
Die Fahnenwache bestand aus zwei Soldaten, die in jeweils vierstündigem Dienst
Tag und Nacht die Fahne bewachten. Die meiste Zeit über hatten sie nichts anderes
zu tun, als stillzustehen und ein ernstes Gesicht zu machen. Lediglich bei kaltem
Wetter marschierten sie hin und her, um sich warm zu halten. Ein niedriges Gatter
trennte den Bahnsteig vom Gipfelplatz. Jim schlich im Schatten des Bahnsteigdachs,
bis er es fast erreicht hatte. Die Wachen hatten eine quadratische Spur um den
Fahnenmast in den Schnee getreten. Jim hörte das regelmäßige Stampfen der
Stiefel, doch für einen Augenblick waren sie hinter der Mauer der Bergstation außer
Sicht.
Hinter Jim kamen Adelaide und die anderen. Jeder Student hatte eine Pistole.
Plötzlich rief jemand im strengen Befehlston und vernehmlich in der stillen Luft:
»Halt! Wer da?« Wegen der Mauer waren sie nicht zu sehen, also musste die von
der anderen Bergseite kommende Gruppe gemeint sein. Ehe Jim etwas tun konnte,
trat Adelaide rasch ans Gatter und sagte laut und deutlich: »Die Königin.«
Jim stand im nächsten Augenblick neben ihr. Die Wachen hatten sich verwirrt
umgedreht, und richteten ihre Gewehre bald auf Karl, der gerade zum Gipfel hinaufstieg, bald auf Adelaide, die das Gatter öffnete. »Nehmt die Gewehre runter«, sagte
Karl. »Seht ihr denn nicht, wen ihr
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