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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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einem Bouquinisten am Kai gestorben.«
    »Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen.«
    »Er soll gar nicht Bouvet heißen, sondern Marsh, amerikanischer Staatsbürger sein, einen Teil seines Lebens im Kongo verbracht und dort eine Goldmine ausgebeutet haben.«
    Monsieur Beaupère rührte sich nicht und lutschte weiter sein Lakritzbonbon. Er rauchte nicht, trank nicht, lutschte aber den ganzen Tag Lakritzbonbons, so daß seine langen Pferdezähne ganz gelb aussahen.
    »Gehen Sie zum Bürgermeisteramt des 5. Arrondissements. Die Polizei dort hat das Protokoll aufgenommen.«
    »In Ordnung, Herr Direktor.«
    »Er hat in Paris eine Frau, eine gewisse Mrs. Marsh, sie wohnt im ›Hôtel Napoléon‹. Er hat auch eine Tochter, die mit einem gewissen Frank Gervais verheiratet ist. Ihre Adresse weiß ich aber nicht.«
    »Jawohl, Herr Direktor.«
    Und er machte sich auf den Weg. Mit seiner Trauermiene begab er sich ins Inspektorenbüro, nahm seinen schwarzen Strohhut vom Haken und trat wenig später wie ein großer Rabe in die Sonne hinaus, die den Kai überflutete.
    Zweifellos war Monsieur Beaupère von der gesamten Kriminalpolizei derjenige, der die meisten Kilometer zu Fuß zurücklegte. Wegen der Spesenrechnungen fuhr er nie mit dem Taxi, mied die Busse wenn immer möglich und nahm die Métro nur, wenn es unumgänglich war.
    Die Café-Terrassen auf dem Boulevard Saint-Michel würdigte er keines Blickes, auch nicht die Blumenverkäuferinnen oder die Frauen, die in hellen Sommerkleidern spazierengingen, und tauchte am Panthéon ins Halbdunkel des Bürgermeisteramtes des 5. Arrondissements. Die Bürgermeisterämter bargen keinerlei Geheimnisse für ihn, er brauchte keine roten oder schwarzen Pfeile, die zu den verschiedenen Büros führten, holte sich, ohne erst einen Angestellten zu bemühen, selbst die schweren Personenstandsregister vom Bord herunter.
    Boulevard … Bouvat-Martin … Bouveau … Bouverat … Bouveret … Bouveric … Bouvet.
    Bouvet Albert … Bouvet Armand … Bouvet H …
    Bouvet M … Bouvet P … Bouvet René …
    Er war ohne Hast, ohne Ungeduld. Sein Sohn war Unteroffizier in der Armee. Seine Tochter war verheiratet. Das Haus, das er in Puteaux bewohnte, gehörte ihm.
    Um einen Ausweis zu bekommen, hatte Bouvet, René Hubert Emile, einen Auszug aus dem Geburtsregister mit der Unterschrift des Gemeindesekretärs aus Wimille am Ärmelkanal beigebracht und sich als Sohn des Jean Bouvet (Landwirt) und der Marie-Ernestine, geborene Méresse (Hausfrau) ausgewiesen.
    Das Bürgermeisteramt des 5. Arrondissements hatte in den Jahren 1940, 1941, 1942 und 1943 keine Lebensmittelkarten an ihn ausgegeben, sondern erst 1944, als René Bouvet von einem Aufenthalt in Langeac bei Sarlat in der Dordogne zurückgekommen war.
    Es war Mittag, als Monsieur Beaupère, der nirgends eingekehrt war und als Erfrischung noch nicht einmal ein Glas Wasser getrunken hatte, das weiße Haus am Quai de la Tournelle betrat.
    Er war nicht so neugierig gewesen, einen Blick zu den grünen Fensterläden im dritten Stock emporzuwerfen, hinter denen Monsieur Bouvet in so großer Stille ruhte, daß das Gesumme einiger Fliegen wie lautes Getöse klang. Er trat zwar unaufgefordert in die Loge der Concierge, nahm aber höflich den Hut ab. Er setzte sich auf einen der Henri-II-Stühle, während Madame Jeanne, die wußte, was nun folgen würde, sich ihm gegenüber an den Tisch setzte.
    »Sprechen Sie nicht zu laut. Mein Mann schläft. Er arbeitet nachts.«
    Er machte ein Zeichen, daß er verstanden hatte, und das Gespräch verlief flüsternd. Von außen durch die Glasscheibe betrachtet, sahen sie aus wie zwei Fische in einem Aquarium, aus deren Mäulern jeden Moment Blasen aufsteigen konnten.
    Monsieur Beaupère aß in der Nähe des Châtelet in einem Restaurant zu Mittag, in dem es Festpreismenüs gab und wo seine Serviette für ihn in einem Extrafach aufgehoben wurde. Dann kehrte er ins Büro zurück und meldete ein Telefongespräch an das Bürgermeisteramt von Wimille an.
    Es war kurz nach drei Uhr, als der Amtsschreiber, der gleichzeitig auch der Dorflehrer war, ihm mitteilte, daß René Bouvet zwei Jahre zuvor in Indochina gestorben sei. Er habe dort vierzig Jahre gelebt und sei nur selten nach Frankreich gekommen.
    »Wann haben Sie ihm das letzte Mal eine Geburtsurkunde ausgestellt?«
    Der Lehrer suchte in seinem Büro, von dem aus er wahrscheinlich das Meer sah. Derweil packten seine Schüler sicher die Gelegenheit beim Schopfe und

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