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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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unglücklich war?«
    »Ja, Madame.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Sie gingen hinunter, während die Concierge die Tür wieder abschloß und den Schlüssel in die Tasche ihres Unterrocks gleiten ließ. Im Treppenhaus blieben sie noch einen Moment stehen, dann gingen sie, an dem Jungen vorbei, der immer noch dasaß und sie von oben bis unten musterte, noch mißtrauischer, als die Concierge es getan hatte.
    Unten im Flur blieben sie zögernd noch einmal stehen.
    »Falls Sie sich zufällig doch noch an etwas erinnern, das uns interessieren könnte …«
    Der Mann hielt ihr seine Visitenkarte hin. Er sprach jetzt:
    »… Ich meine, das meine Frau interessieren könnte … Sie ist schon lange mit ihrer Mutter zerstritten, und wenn Sie sie gesehen haben, werden Sie das sicher verstehen. Wegen ihrer Mutter hat meine Frau ihren Vater auch kaum gekannt. Es ist fast unmöglich, daß er sich nicht an sie erinnert und nicht versucht haben soll, sie wiederzufinden.«
    Endlich gab er ihr seine Karte.
    »Ich wäre Ihnen unendlich dankbar. Tagsüber erreichen Sie mich in meinem Büro. Rechts unten steht unsere private Adresse.«
    Sie gingen, sie auf ihren hohen Stöckelschuhen, er mit seinen eingefallenen Schultern. Er zog noch eine Zigarette aus einem silbernen Etui, dann fiel die Tür des Taxis zu.
    Der Wagen war noch nicht angefahren, als sie sich schon zu streiten und sich gegenseitig ihre Ungeschicklichkeit vorzuwerfen schienen.
    Auf der Karte las die Concierge:
     
    FRANK GERVAIS UND WILLY GOLDSTEIN
    Alte Meister
    135a, Rue Saint-Honoré
     
    Der Name Goldstein war durchgestrichen. Dafür stand da jetzt noch die Privatadresse: 62, Quai de Passy.
     
    Paris zeigte sich wie am Vortag in all seiner Pracht. Da war das gleiche warme Lüftchen, das gleiche Rauschen im dichten Laubwerk der Bäume, der gleiche feine und duftende Staub, das gleiche Flirren der Sonne auf Fensterscheiben und Dächern.
    Ein blasser Mann, der aussah wie ein Versicherungsagent oder ein Staubsaugervertreter, pochte diskret an das Glasfenster der Loge. Ferdinand saß gerade in der Küche beim Abendessen, ehe er sich zum Nachtdienst fertigmachte. Es war Monsieur Beaupère.
    »Störe ich, Madame Léliard?«
    »Kommen Sie herein. Nehmen Sie Platz. Gibt es etwas Neues?«
    »Nicht viel. Eigentlich bin ich gekommen, um hier etwas Neues zu erfahren.«
    Er sah sie an, als sei er sicher, daß sie ihm etwas zu berichten habe.
    »Seine Tochter war gerade mit ihrem Mann hier. Sie haben mir ihre Karte dagelassen. Sie haben mir sogar hundert Francs auf den Tisch gelegt.«
    »Hat sie nichts gesagt?«
    »Sie hat von Papieren gesprochen, von Fotos. Sie waren oben.«
    »War sonst noch jemand da?«
    Monsieur Beaupère schrieb die Adresse sorgfältig in ein großes schwarzes Notizbuch, das durch ein Gummiband zusammengehalten wurde.
    »Außer den Nachbarn niemand.«
    »Sehen Sie, Madame Léliard, diese Leute haben recht.«
    »Womit haben sie recht?« erwiderte sie unwillig.
    »Der richtige Bouvet ist vor zwei Jahren in Indochina gestorben.«
    »Kann es denn nicht zwei Bouvets geben?«
    »Nicht mit denselben Personalien. Ich möchte gern wissen, ob sich hier nicht sonst noch jemand hat blicken lassen, denn wahrscheinlich kennt jemand die Wahrheit.«
    »Bis auf das alte Fräulein …«
    »Was für ein altes Fräulein?«
    »Ich habe Madame zu ihr gesagt, aber sie hat mir geantwortet, sie sei nicht verheiratet. Sie ist mindestens siebzig.«
    »Eben.«
    »Wieso ›eben‹?«
    »Weil die Leute, die Monsieur Bouvet früher einmal gut gekannt haben, heute natürlich alte Leute sein müssen.«
    »Daran hatte ich gar nicht gedacht.«
    »Wann war sie hier?«
    »Gestern nachmittag. Sie kam als erste. Ich dachte, sie sucht ein Zimmer. Sie sah aus wie jemand, der ein kleines Zimmer zur Hofseite hin sucht.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß sie nicht sehr elegant gekleidet war?«
    »Ärmlich. Sie traute sich gar nicht hereinzukommen. Ich mußte ihr entgegengehen und sie hereinbitten.«
    »Was hat sie Ihnen denn erzählt?«
    »Fast nichts. Zuerst zitterten ihre Lippen so, daß sie gar nicht sprechen konnte. Sie ist sehr dick, mit einem runden bleichen Gesicht und großen Kinderaugen. Wie alle anderen hat sie mir die Zeitung gezeigt und dabei gemurmelt:
    ›Bin ich hier richtig?‹
    Und ich sah, daß sie ein Veilchensträußchen in der Hand hielt. Das hat mich richtig gerührt. Ich habe sie gefragt:
    ›Kennen Sie ihn?‹
    Ich dachte, sie wohnt hier im Viertel und hat sich vielleicht morgens oder

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