Das Begraebnis des Paten
saß. Dabei stellte er fest, dass sein teurer Mantel hinten feucht geworden war, und sprang mit dem Laptop im Arm sofort auf. Wie unpoetisch!
Auf dem Evaluationsbogen würde er die unmenschlichen äußeren Umstände des Kurses beanstanden. Obschon er durch die Polizeiarbeit daran gewöhnt war, sich anzupassen. Sich die Finger zu verpflastern, wenn sie Schnitte von den Rändern der Dokumente bekommen hatten, ja Wunden sogar zu vermeiden, indem er feste Baumwollhandschuhe trug. Auf einem aufblasbaren Ringkissen zu sitzen, wenn die Hämorrhoiden durch den Stress gereizt wurden. Die allgemeine Disziplinlosigkeit der Untergebenen und ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Dienstvorschriften zu ertragen, obwohl die Vorschriften für alle galten.
Zum Glück waren seine Fähigkeiten und Begabungen schließlich aufgefallen, und man hatte ihn in den Verwaltungsdienst befördert, wo er weniger mit den oft bedauerlich vulgären Mitarbeitern des Einsatzdienstes zu tun hatte. Er hatte ein ruhigeres Büro bekommen, wo er über die Personalstrategie und Organisationsreformen nachdenken und Berechnungen und Schemata über die Weiterentwicklung seines Verantwortungsbereiches erstellen konnte. In seinen seltenen Mußestunden liebäugelte er mit dem Gedanken, den perfekten Kriminalroman zu schreiben.
Als Gymnasiast hatte er Gedichte geschrieben, darum wusste er, dass er auch einen Spitzenkrimi schreiben konnte. Seine Gedichte hatte er in der Schublade versteckt, weil er argwöhnte, die Verlagswelt könnte für sie noch nicht reif sein. Außerdem verkauften sich Gedichte schlecht, vor allem gute Gedichte. Da war es klüger, einen Krimi zu schreiben. Die fanden Absatz, die wurden veröffentlicht.
Als dann im Gutshaus Isola in Tuulos ein dreitägiger Krimikurs angeboten wurde, beschloss Kukkamäki, daran teilzunehmen. Man lernte nie aus. Auch wenn man Magister der Verwaltungslehre war.
Das restaurierte Gutshaus bot ein reizvolles Ambiente für einen solchen Kurs, aber das Wetter hätte wärmer und trockener sein können. Als Kursleiter fungierte eine sonderbare Hippie-Frau mit noch sonderbareren Gedanken. Offenbar in vollem Ernst hatte sie ihren Schülern den Rat erteilt, so viele Krimis wie möglich zu lesen und sich an ihnen ein Beispiel zu nehmen. Als ob ein Hauptkommissar Zeit hätte, sich mit einem solchen Schund abzugeben! Außerdem befürchtete er falsche Einflüsse, die sich fatal auf sein klassisches Stilgefühl auswirken könnten.
Er hatte genügend Kritiken gelesen, um zu wissen, worauf es bei Krimis ankam: auf einen kultivierten Ermittler als Helden, auf teure Marken, auf Rezepte für exotische Gerichte und auf interessante Mordmethoden. Zu seinem eigenen Vergnügen und zur Freude des Lesers beabsichtigte er, sein Buch reichlich mit poetischen Landschafts- und Wetterbeschreibungen voller komplizierter Symbolik zu spicken sowie mit tiefgehenden Reflexionen über die Unbeständigkeit des menschlichen Daseins. Wie drückte es der Dichter doch so treffend aus: »Schnellstraße – Strich über die Vergangenheit.« Oder: »Das Leben ist nur eine Kerze in einem Lampion.«
Eventuell würde er hier und da auch geflügelte Worte und Lyrik anbringen, um die eigene Belesenheit unter Beweis zu stellen, am liebsten in der Originalsprache. Außerdem ließen sich leicht die Seiten füllen, wenn man für das gemeine Volk jedes Mal die Übersetzungen hinzufügte. Allerdings würde ihm das Produzieren von Text wohl kaum Schwierigkeiten bereiten. Im Lauf der Jahre hatte er Tausende Protokolle verfasst, die auf der höchsten Verwaltungsebene zweifellos als Beispiele für exzellenten Stil Verbreitung fanden.
»Erinnert ihr euch noch, was ich euch gesagt habe? Man soll direkt zur Sache kommen. Hier sehe ich aber ziemlich viele Landschaftsbeschreibungen und Wetterberichte, bevor auch nur ein einziger Mensch eingeführt wird. Da fängt der Leser an zu gähnen. Seht zu, dass die Leiche bald gefunden wird, das war eure Aufgabe. Die Zeit ist gleich um. Und wir müssen vor dem Essen noch alle Texte durchgehen.«
Kukkamäki wurde ungehalten. Was hatte sich die Lehrerin hinter ihn zu schleichen und ihm über die Schulter auf den halb fertigen Text zu gucken?
Außerdem, wie sollte man die Seiten vollkriegen, wenn man bloß Action beschrieb? Woher sollte der Leser wissen, wo man sich befand und wohin die Handlung führte?
Amüsiert nahm Kukkamäki zur Kenntnis, dass zumindest zwei von acht Kursteilnehmern hastig ihre Anfänge kürzten.
Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher