Das Beil von Wandsbek
Wünschelrutendienst hoch eingeschätzt. Sturm Preester rechnete es sich zur Ehre an, für den gefährlichen Beruf eines Minensuchers im möglicherweise kommenden Kriege mit den Russen einen Mann zu stellen, der dem grauen Rocke schon einmal Ehre gemacht hatte und das wiederholen würde. Es galt schon nicht als Kleinigkeit, wie die Väter der jungen Leute erzählten, mit Handgranate und Bajonett durch feindliches Trommelfeuer gegen eine Stellung anzurennen: die Schriftsteller seit der Machtergreifung schwelgten ja in Kriegsgetöse und Schlachtenlärm – komisch nur, daß nichts von ihrem Heldentum nachklang, wenn man das Buch in die Leihbibliothek zurücktrug. Die jungen Leute, die hier saßen an den verschiedenen Tischen in Lehmkes Hinterzimmer, in schwarzen Waffenröcken, mit blonden, kurzgehaltenen Scheiteln und kalten, unerfahrenen Augen, hatten ihrerseits noch nichts erlebt, was für sie gefährlich gewesen wäre. Sie hatten immer nur mit unbewaffneten, wenig gedrillten Gegnern zu tun gehabt, denn die roten Kampfverbände waren ja schon vom Weimarer System aufgelöst und unterdrückt worden. Zwar mußte sich auch die SA. zeitweise tarnen, aber hinter ihr lauerten Partei und Reichswehr, bereit, sie zu decken, wenn jemand ihre »aufgelösten« Abteilungen am Sonntag mit Waffenexerzieren ließ. Aber nun war das ja alles schon Geschichte – nicht der »Bewegung« allein, sondern des ganzen deutschen Volkes; man brauchte nicht mehr darin zu buddeln, um große Taten zu finden. Die standen ihnen noch bevor, den Herren zukünftiger unterworfener Völker der Minderwertigen, die mit ihrem Nationalkram und Sozialismus das ganze neunzehnte Jahrhundert versaut hatten. Diesen Liberalismus ermöglichend, in dem selbst Juden Barone werden konnten, in allen Herrenhäusern mitsitzen und mitbeschließen, während gleichzeitig ihre Hetzer und Abgesandten, der Bolschew, der Radek, der Lenin-Trotzki, die Massen der Arbeiter dumm machten unter dem Vorwande, die Weltrevolution werde ihnen das Heil bringen. Adolf Hitler und seine Paladine würden Zeit und Ort bestimmen, an denen der Endkampf um die Zukunft begann und in welchem der deutsche Michel mit hochgerecktem Schwert sich auf den Erzfeind stürzte, die natürliche Ordnung wiederherstellend, in welcher der Wohlgeratene den Schlechtgeratenen unterwarf, ihm die Last des Lernens, Lesens, Schreibens abnehmend und ihn jener nützlichen Arbeit zuführend, für die allein Polen, Slawen, Russen geschaffen waren. Einen solchen Vortrag improvisierte Kamerad Vierkant zu Ehren Albert Teetjens, der sich jetzt schon offen in die Front der Zukunft einreihte. Eine Lage Köhm war der Gefeierte darauf genötigt zu schmeißen, aber das konnte man nicht umgehen und wohl verantworten. Und wenn man überlegte, was Vierkant nachher noch erzählte, würde auch Stine mit dieser Ausgabe einverstanden sein.
Er berichtete nämlich, vor einer Woche sei einer der Schulkollegen und Studienkameraden vom Auslandsinstitut auf Urlaub nach Hamburg zurückgekommen. Der saß beim Generalkonsulat in Kairo, in offizieller Stellung als mittlerer Beamter, aber seit langem auch als leitender Funktionär der Partei. Und die hatten schon seit Jahren begonnen, aus Freude an der Natur selbstverständlich, ihre Sonntage zu Autoausflügen in die Wüste westlich der ägyptischen Grenze zu verwenden. Wenn da ein Wünschelrutenmann wie Kamerad Teetjen zur Verfügung gestanden hätte. Im Wüstenkrieg war Wasser ein ebensolcher Trumpf wie Munition, und zwar schon seit Urzeiten. Nun, unsere neuen Freunde,die Italianissimi, hatten es übernommen – es aber freilich noch keineswegs geschafft – die Abkehr Ägyptens von der englischen Zwingherrschaft erst diplomatisch, dann militärisch einzuleiten. Der junge König würde denjenigen Dank wissen, die ihn dem bewunderten Duce näherbrachten, während anderseits gewisse Aktienpakete des Suezkanals aus den falschen Händen in die richtigen Hände rutschen mußten, in unsere Hände. Dann würden im gegebenen Falle deutsche Truppenkörper von den Balearen oder von Südspanien in Tripolis oder gleich in Libyen, der alten Cyrenaica, auftauchen und den Engländern, was hatten sie denn dort zu suchen, die ägyptische Wohnung kündigen. In ihrem ungeheuren Dünkel vermuteten sie ja nichts Böses, und wenn italienische Schiffe in allen Häfen, auch des östlichen Mittelmeeres, Heimatrechte gewannen und die Flugzeuge der Ala Littoria von Aden bis hinauf nach Rhodos den Flugdienst immer mehr an
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