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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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sich zogen, so war das eben eine Folge italienischer Qualitätsarbeit und Pilotentüchtigkeit, denen die Engländer nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnten. Hatten sie doch die wichtige Route nach Karachi, Indien, den Holländern überlassen müssen. Alles echt liberal, echt demokratisch, schlafe mein Kindchen, schlaf ein. Für Kamerad Teetjen aber, und seine Gattin besonders, würde die Idee, im Wüstensande nach Wasser zu suchen, nur angenehm sein, verglichen mit dem Stapfen durch Schneefelder, wo unter seinem Stiefel jederzeit tückisch verborgene Minen aufflogen und dir das Bein abrissen. Also, Heil Afrika, Kamerad, und darauf Prosit. Albert sonnte sich in der Beachtung, die er jetzt auf Vorschuß nahm, und schmunzelte: Liebe Leute, wenn ihr erst wüßtet, was ich schon hinter mir habe! Daß auch der alte Ruckstuhl aufgetaucht und durch seinen Geheimrat so hochgebracht worden war, gab ihm gleichsam ein breites Brett unter die Füße. Eine gute Zeit war angebrochen, eine bessere und beste. Man konnte all den Schnack wohl einstecken, ohne unbescheiden zu sein; er kam ja an die richtige Adresse, wenn auch Inhalt irrtümlich. So als hätte jemand ein Dutzend Wiener Würstchen bestellt und bekäme Blut- und Leberwurst eingewickelt, weil wir frisch geschlachtet hatten. Aber prima Ware, und er läßt sie sich schmecken.
    Das Geschäft hatte sich wesentlich erholt – wie Albert sagte, der Schornstein rauchte. Einerseits war mit Eintritt der kälteren Jahreszeit das Verlangen nach Fett und Fleisch merklich gestiegen, anderseits machte diktatorische Herrschaft hellhörig für gewisse Unterströmungen, deren Tragweite sie richtig einschätzte. Das Stimmungsbarometer in Hamburg stieg, weil aus Ungarn und Rumänien Mastschweine einströmten, und das Reich hatte die Erlaubnis zu solchem Import gegeben, weil die beiden Balkanstaaten große Bestellungen an rollendem Material für ihre Eisenbahn dafür tätigten; so hieß es im Rundfunk. Es war alles Politik, sollte sich der Hörer sagen, und er sagte es sich auch – Hitlers großartig leichte Hand, mit der er gleichzeitig alte Lokomotiven in junge Schweine verwandelte und gute Schienenwege besorgte, falls Deutschland einmal Truppenmassen über den Balkan rollen lassen mußte, der Türkei oder Italien zu Hilfe ... Albert verstand die Kunst des Wurstmachens aus dem FF, aber Stine in aller Unschuld ebenso gut die der Kundenwerbung, des Kundenfangs, wie Albert sagte. Die Frauenorganisation der Partei hatte von großen Verlagshäusern gelernt, Blätter für die Hausfrauen der verschiedenen Bezirke zu verbreiten, die im allgemeinen für Wandsbek, Altona, Barmbek oder Hamburg die gleichen Artikel, Kochrezepte, Strickmuster, Kreuzworträtsel und rassischen Ermahnungen enthielten, hingegen Anzeigen in wechselnder Zusammenstellung für die einzelnen Stadtteile, was sich ja von selbst versteht, wenn man die moderne Großstadt und ihre durchaus verschiedenen Bevölkerungen und Lebensformen einigermaßen kennt. Für die drei Beks, wie Redakteur Vierkant es ausdrückte, Eilbek, Barmbek und Wandsbek, erschien eine Wochenzeitung, in der gereimte Anzeigen den Leserinnen besonderen Spaß machten und sich ihnen unweigerlich einprägten.
    »Alle Frauen, alle Mädchen
    Kaufen Wellwurst nur bei Teetjen«
    stand da seit Anfang Oktober zu lesen, nicht ohne nähere Angaben: Richard-Wagner-Straße 17, dazu die Liniennummer der Elektrischen und der Hochbahnhaltestelle. Diesen Vers hatte Stine angeregt und mit wem verbrochen? Mit Tom Barfey, dersein Honorar in Naturalien empfing oder in Gottesgaben, zu denen auch gehörte, daß ihm Stines Hand durch die Haare fuhr und er seinen Mund in die Beuge ihres Ellenbogens pressen durfte. Albert hingegen behauptete, Stine sei dieser Vers selbst geglückt, wie sie ja auch jenen Brief an Kamerad Footh verzapfte, mit dem alles, und auf so heilsame Weise, angefangen hatte. In den Vierlanden, wie eine Marschlandschaft nach dem Sachsenwalde zu heißt, kannte sie von früher noch Hofbesitzer, die an jüdische Firmen Gänse lieferten; Frau Apotheker Plaut, die Schwester des Rabbiners Dr. Samuel, hatte mit solchem Import der Schlachtgesetze wegen zu tun gehabt, die bei den Juden besonders streng und altmodisch gehandhabt wurden, zur Vermeidung möglichen Blutgenusses. Daß diese Geschäftsverbindung noch gestattet war, hielt Stine für unwahrscheinlich; trotz unwirtlichen Regens fuhr sie mit Albert eines Sonntags früh hinaus, und als sie zurückkamen, durchnäßt und

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