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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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weil er aus den hölzernen Seglern die Eisennägel zog, das hatte er irgendwo gelesen. Wie sich freilich unsere modernen Eisenschiffe einer solchen Gefahr gegenüber benahmen, konnte er sich nicht recht ausdenken. Wahrscheinlich waren ihre starken Maschinen eine Bürgschaft selbst gegen die Anziehung eines solchen Magnetberges. Darüber konnte er niemanden besser ausforschen als, wenn sie einander wieder einmal begegneten, den Kameraden Footh, der es von seinen Kapitänen aus erster Quelle erfuhr. Natürlich war etwas mit der Schiffahrt, der Magnetnadel und dem Nordpol los, sonst konnte der Kompaß ja nicht immer nach Norden zeigen. Wenn solch eine Wünschelrute etwas Kompaßähnliches war? Man müßte über die Erde besser Bescheid wissen, nicht bloß mit einem Spazierstock in Maulwurfslöchern stochern.
    Zu Hause hatte es Stine schwer, sich in das neue Hantieren zu finden. Plötzlich sollten messingne Waagschalen auf dem Fußboden stehen dürfen oder irdene Töpfe mit Wasser, damit ihr Albert seine Wünschelrutengabe übe. Es war ja fast nicht zu vermeiden, daß eine beschäftigte Hausfrau solch ein Gefäß einmal umstieß oder in die Waagschale trat, wenn sie zwischen Küche, Schlafzimmer, Laden und Remise hin und her zu sausen hatte. Ging dann irdenes Geschirr zu Bruch, wer kam für den Schaden auf? Der Dr. Laberdan doch keineswegs und der Herr von der Reichswehr auch nicht, der sich, wie Albert sagte, für diese Übungen interessierte. Keinesfalls konnte man, wenn man Bohnen auf dem Feuer hatte, immer daran denken, daß unter dem Küchenläufer ein Messer versteckt lag oder unter dem Bettvorleger ein Beil – das Beil. Wie leicht konnte man sich einen Stich in den Fuß holen bei den dünnen Hausschuhen, die man trug, oder denFilzpantinen im Winter. Aber ein Wunder war es doch, was da mit Alberts Händen vor sich ging – wie etwas die Muskeln zusammenzog oder hervordrehte – nicht zu sagen. Von Erdmagnetismus konnte doch da keine Rede sein. Den hätten wir Durchschnittsmenschen auch schon irgendwie spüren müssen. Es war was anderes, was Geheimnisvolleres, das sich ihres Albert hier bemächtigte. In früheren Zeiten hätten die Leute gewußt, wie es zu benennen. Damals, als Religion noch Trumpf war, der liebe Gott die Herzen regierte und der Teufel sie versuchte, da wäre solch eine Wünschelrute schnell als Hexerei erkannt worden, als Zauber und verbotenes Teufelswerk. Heute aber war man aufgeklärt, von Gott sprach niemand mehr in einer öffentlichen Versammlung, die Leute lachten über all die Einfältigen, die ihre Sonntagspredigt brauchten, um glücklich zu sein. Die Kinder lernten weder mehr die herrlichen Choräle – Nun danket alle Gott, Wie schön leuchtet der Morgenstern, O Haupt voll Blut und Wunden – noch hatten sie ihren Katechismus am Schnürchen. Die Größeren wurden an Blutvergießen gewöhnt, zum Schlachten von Schweinen und Geflügel klassenweise herangeführt – selbst in Stunden schweren Regens, die in warmen Schulstuben weit vernünftiger verbracht worden wären ... Nein, das Dritte Reich bot Rätsel genug, man brauchte nicht noch das Erdinnere aufzustöbern und sich die Augen mit Büchern zu verderben. Lesen war schön, Geschichten erzählen noch viel schöner, Großmutter Geisow hatte allerlei von Schäfern gewußt, von Erscheinungen, vom zweiten Gesicht und Spökenkieken. Selbst in ihrer Familie habe es dergleichen gegeben. Aber der Enkelin Stine hatte sie nichts von solcher Gabe vererbt, in ihr war alles einfach, verständig, durchsichtig, sonnenklar. Nein, an Stine prallte das Teufelswerk wirkungslos ab – mochte Albert sein Beil, das verwünschte Handbeil, noch so sorgfältig unter den Teppich legen und seine Handgelenke sich verdrehen fühlen, wenn er daran vorüberkam und die Hexenrute, Haselrute, sich vor der Blutaxt wild verdrehte, verneigte.
    »Zauber, Zauber geh vorbei
    Pfaffentrug und Hexerei
    Teufelsgold und Zauberstrahlen
    Mußt du später teuer zahlen
    Alles, was die Hexe spricht
    Laß in deine Ohren nicht
    Daß dir nicht das Herze bricht,
    Bet zu Jesu Malen ...«
    Die Verse, aus Großmutter Geisows Gesangbuch, hafteten offenbar fester an ihr, als sie je erwartet hatte. Aber das schadete nichts. War mehr wert als das Horst-Wessel-Lied und all der Plunder, den sie jetzt sangen und von dem Lehmkes Fensterscheiben klirrten, wenn sie einmal nachts hinüberschlich, weil Albert solange ausblieb.
    Im Kreise seiner Kameraden wurde Albert wegen seiner Meldung und Eignung zum

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