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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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sprechenden Blick über den Rand seines Porterglases weg hinüber sandte, mit der Kante der linken Hand, den Daumen aufwärtsgestellt, mehrmals auf seinen Oberschenkel tippte und dann einen tüchtigen Schluck hinter die Binde goß. Ja, trink du nur, dachte Albert Teetjen, etwas schüchtern und verlassen in der Umgebung all der feinen Herren. Zeig nur, daß wir zusammengehören. Sollst ruhig was davon haben, daß du mir geholfen hast. Vorhin nämlich, während des Wartens, er besaß gute Ohren, hatten zwei Herren vor ihm einander als Neuigkeit mitgeteilt, daß der einstige Börsenvorstand Kley Selbstmord begangen habe, weil ihm die Summe nicht paßte, für welche man ihm die drei Schiffe der Thetis-Reederei abnahm, und daß Herr Footh der Glückliche sei, der das Erbe antrat. »Woher haben Sie das?« – »Von durchaus seriöser Seite. Prokurist Ruckstuhl, von der Bank der Arbeitsfront, war Sonntag deshalb hier. Footh machte einen guten Schnitt. Is ja auch nen fixen Jungen.« – »Und wie verhält sich Madame Kley?« – »Tja, wer soll das wohl wissen, hatte immer so nette Spickgans im Hause, die Dame. Geräucherte, besser als jeder Schinken.« – »Aber nicht besser als dieser hier. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Es muß auch ein Belag darauf sein.« Jetzt standen die beiden Herren am Buffet und kippten gerade den Kognak des Senates aus großen, fast leeren Kelchen, hinter die geöffneten Zahnreihen.
    In diesem Augenblick wurden die Türen aufgerissen, und derFührer stürzte schreiend heraus – anders konnte man es nicht nennen. »Alles Schwindel! Sabotage!« kreischte er mit kehliger, sich überschlagender Stimme. Rudolf Heß, sein Freund und Stellvertreter, dicht hinter sich, der seinen Arm zu nehmen suchte, eilte er, ohne rechts oder links zu blicken, auf die Tür des Vorsaales los, grau im Gesicht und fast taumelnd, riß sich selbst die Klinke auf, trocknete seine schweißbeperlte Stirn und lief die Treppe hinunter, verschwand. Hinter ihm her quoll die kleine Gruppe von Männern aus dem Arbeitszimmer des ersten Bürgermeisters, in welchem die Besprechung vorhin stattfand, alle bleich oder hochrot, aufgeregt, erschüttert. Der Reichsstatthalter, eher grün-fahl unter den Augen und auf den Wangen, wandte sich an die Anwesenden, die totenstill, mit ausgerecktem Grußarm gleich Wachspuppen dastanden, wozu die braunen, schwarzen, graugrünen und blaßblauen Uniformen nicht schlecht paßten, und sagte heiser, im Bestreben, den Vorfall leicht zu nehmen: »Eine Künstlerkrise, meine Herren. Sie haben nichts Ungewöhnliches bemerkt. Der Besuch des Führers läuft programmäßig weiter.« Au weih, dachte Albert Teetjen, den krieg ich nun nicht zu sprechen, wär ja auch zu viel Schwein gewesen. Als letzter trat aus der inneren Tür ein Oberstleutnant der Reichswehr, mit kleinem Mund und Schnurrbärtchen, auch er käseweiß. Er hielt eine Anzahl Papierstücke in der Hand und hatte seinen Arm unter den eines Herrn im bürgerlichen Feierkleid gesteckt, der ebenfalls gerollte Papiere festhielt – es war der Chef des städtischen Tiefbauamtes, dem ein junger SA.-Mann ein großes Reißbrett nachtrug. Albert kannte niemanden von den Herren, auch den Staatsanwalt Russendorf nicht, mit dem sein Freund Footh ein paar ängstliche Worte wechselte. Aber der näherte sich ihm, redete ihn mit Parteigenosse Teetjen an, riet ihm, ja nicht nach Hause zu fahren, sondern zu sehen, wo er einen Platz bekomme, um die Ansprache an die Arbeitsfront mit anzuhören, und versprach ihm, jedenfalls den Stellvertreter des Führers auf den bewährten Parteigenossen aufmerksam zu machen. Der weiß, wer ich bin, dachte Albert Teetjen, halb geschmeichelt und halb besorgt. Hoffentlich hält er dicht, der Herr Staatsanwalt. Die Feierlichkeiten gingen wirklich weiter, aber es wurde nichts mehr Rechtes. DerFührer sah plötzlich aus wie ein erloschener mittelgroßer Durchschnittsmensch, mit stechenden und wütenden Mausaugen; seine Rede, dachte Albert, hätte vielleicht auf litauische Panjes Eindruck gemacht, die an Schreien und Drohen von ihren Vögten her gewohnt waren, nicht aber auf hiesige Werftarbeiter und Baugewerkler, die auf einem riesigen Fabrikhofe hufeisenförmig zusammengetreten waren. Die pflegten auf halblaute Sprechweise zu reagieren, gemütlich, humorvoll angeredet zu werden, mit einem saftigen Witz und einem Kernwort zum Schluß. Bei ihnen wirkte eine Anspielung, die sie nachdenklich stimmte, mehr als das Geschrei von dieser

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