Das Beil von Wandsbek
Fortgang des Novembers brachte diesesmal kälteres Wetter, aber trockeneres; er zeigte sich dem Führerbesuch recht günstig. Hamburg im Flaggenschmuck des Hakenkreuzbanners nahm sich sonderbar aus; die riesigen blutroten Fahnentücher leuchteten dumpf und stark in der feuchten Luft dieser grauen, emsigen Stadt. Alle Glocken läuteten, als SA.-Kolonnen, SS. und Reichswehrinfanterie durch die Hauptstraßen marschierten und Kinder, Ehrenabordnungen der Schulen ihrem Freund und Förderer entgegenwarteten, Blumensträuße in den Händen. Vom Reformationsfest her, letzten Sonntag, schmückten noch Teppiche die Kirchenportale von St. Michaelis und St. Petri, und manche Pfarrgemeinde hatte Kränze aus Tannennadeln bestellt, um ihr Gotteshaus feierlich zu bereiten; das kam nun auch dem neunten noch zugute, diesesmal wenigstens. Astrologen, wie der Chef der Wünschelrutengänger, waren von jeher überzeugt, daß der November immer um die Gegend des neunten Konstellationen für Staatsumwälzungen lieferte, was er in der französischen, russischen und schließlich auch in der deutschen Revolution bewiesen hatte. Selbst in der englischen spielte er seine trübe Rolle bei der Flucht König Karl I. nach Schottland, aber weiter nicht; die Engländer mußten eben immer etwas Besonderes haben. Geschützsalven, kreisende Fliegergeschwader, ein mutiger Jubel des Volkes begrüßtenden Führer Hitler, als er vom Flugplatz her erst eilig, dann ganz langsam durch das Gewühl der City steuerte, dies heute rein festliche Gewühl. Mit seinem gewinnenden, offenen Gesicht saß er bloßen Hauptes im ungedeckten, schweren Mercedes und ließ sich bejubeln, und die Hamburger taten es, wie es die Einwohner jeder Stadt dieser Erde beim Einzug eines so mächtigen Herrn getan hätten. Der da war ein Mann aus ihrer Mitte, nach ihrem Herzen ein Sinnbild ihrer eigenen Kraft, der sich den Weg von ganz unten bis ganz oben in die Gesellschaft der Regierenden der Erde selber gebahnt hatte und der es sich hatte sauer werden lassen wie der Ärmste der Armen. Sein Kragen war nicht immer so rein gewesen wie heute, wahrscheinlich hatte er gar keinen Schlips besessen, als er im Obdachlosenasyl der Stadt Wien jahrelang nächtigte. Aber er hatte an sich geglaubt, an seine Aufgabe, an Deutschland, und jedem Jungen rief sein Beispiel zu, arbeiten und nicht verzweifeln. Es gab zwar Neider, die behaupteten, gearbeitet habe Adolf Hitler damals nicht, ebensowenig wie heute. Es flog ihm eben zu, so wie das Volk sich seine großen Geister vorstellt. So glitt der graue Wagen durch das Spalier der Sechsundsiebziger und Dreiundachtziger, hinter deren aufgepflanzten Bajonetten die Menge Heil rief, jubelte und auf römische Art grüßte; vor dem Gebäude des Senates paradierten Abordnungen der hamburgischen SS. und des Kraftfahrkorps, NSKK. genannt, und zwei Männer, aus jeder Gruppe einer, durften sich anschließen, als Adolf Hitler seine Stiefel und Reithosen die Treppen emportrug, um die Spitzen der Behörden zu begrüßen, den Senat, die Offiziere der Regimenter, die das zehnte AK. vertraten. Er sollte heute noch einen neuen Tank vorgeführt kriegen, wußten diese und erhofften Ehrungen, die den früheren hohen Orden nicht nachstanden, wenn das Modell und das Klappen der Vorführung dem großen Mann gefielen. Solenne Frühstücke schieden ja aus, dafür aber war noch vor der Rede in kleinstem Kreise eine Aussprache über die Adolf-Hitler-Brücke angesetzt, nach welcher einige besonders verdiente Parteigenossen zur Vorstellung kommen sollten. So nett, so fast bezaubernd hatte man sich in Hamburg den heimlichen Kaiser nie gedacht. Und dann verschwand er, nicht ohne ein gefälliges Nicken für die Umstehendenübrig zu haben, mit wenigen Eingeweihten und den zu dieser Audienz eigens Befohlenen hinter den hohen Flügeltüren, die, aus brauner Eiche, die inneren Räume des Senates verwahrten, und Footh und Teetjen und die anderen Günstlinge setzten sich zwanglos auf rotgepolsterte Bänke und Hocker, holten sich köstliche Brötchen von einem langen, weißgedeckten Tisch, hinter welchem schmucke Senatsdiener in Uniform Wein, Porter und heißen Tee bereithielten, lobten den grauen Himmel, der immerhin blaue Stellen und weißsilberne Wolkenränder aufwies, und fanden sich behaglich und geehrt. Herr Footh, der sich von Albert unauffällig getrennt hielt und mit Kameraden vom Kraftfahrkorps in einer eigenen Nische Platz genommen, trank seinem Freund immerhin zu, indem er ihm einen
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