Das Beil von Wandsbek
Bühne und aus den Lautsprechern, daß er, Adolf Hitler, doch schon gezeigt habe, wie er mit Verrätern und Aufrührern umspringe und fertig werde. »Vier Schurken aus eurer Stadt wurde unlängst der Kopf vor die Füße gelegt, laßt euch das zur Warnung dienen! Wer sich mir entgegenstellt, muß es früh anfangen, um nicht zerschmettert zu werden, und auch dann bin ich noch immer einen Tag eher fertig, als er denkt. Und kein Mauseloch ist so verborgen, daß ich ihn daselbst nicht finde und zur Strecke bringe. Die Elbhochbrücke wird gebaut, das Rüstungsprogramm durchgeführt, zu dem unsere Neider und Feinde uns nötigen, und wenn alle Bronsteins, Sobelsohns und Rosenfelds der ganzen Welt sich dagegen, statt auf ihre Schweißfüße, auf ihre Plattköpfe stellen. Der Weg des Deutschen ist unaufhaltsam, wir sind ein Herrenvolk und werden es der Welt schon zeigen. Mit jedem Hammerschlag, den ihr tut, mit jeder Niete, die ihr einbolzt, schmiedet ihr die Gegenwart und die Zukunft für euch und eure Kinder. Was war ich heute vor zwanzig Jahren? Ein einfacher Soldat im Schützengraben; und vor vierzehn Jahren? Der Führer einer verratenen und geschlagenen Schar, Baldur, der vom blinden Geschosse Hödurs niedergestreckt wurde. Und dennoch hielten wir uns die Treue, und dennoch glaubten wir an dich, deutsches Volk, an euch, deutsche Arbeiter. Wir wollten euch die Würde wiedergeben, die man euch geraubt hat, als man euch zu Judas Sklaven erniedrigte. Damals war finstere Nacht, aber heute ist heller Tag. Aus eurem Hafen tragen unsere Schiffe die weitgeachtete, weitgefürchtete Reichsflagge um die ganze Erde, und darum wäre es eine Schande für euch, hamburgischesArbeitsvolk, wenn ihr euer Seevolk im Stiche lassen, sein Werk für Deutschlands Größe nicht krönen wolltet! Unermüdliche, segensreiche, machtgekrönte Arbeitsschlacht, das ist es, wozu ich euch aufrufe und wozu ihr mir folgen werdet. Siegheil, Siegheil, Siegheil.«
Sprechchöre haben wir ja gelernt, dachte Albert Teetjen, als die Antwort der Menge ihr dreifaches Siegheil über den Platz rollte. Dann, während das Deutschland, Deutschland über alles und das Horst-Wessel-Lied erscholl, fühlte er sich von der kleinen Gruppe, innerhalb der er stand, vorwärtsgeschoben zu der Treppe, von der der Führer herabkommen mußte und auch wirklich schon herabkam. Rudolf Heß, ein brünetter jüngerer Mann, nicht ganz so fett wie alle die anderen Herren in der knappen braunen und schwarzen Uniform, gab seinem Adjutanten einen Wink, der zog einen Zettel aus der Tasche, ordnete die zu empfangenden Parteigenossen in zwei Reihen, gemäß der Folge seines Verzeichnisses, Stellvertreter Heß zückte einen Durchschlag und wandte sich an Adolf Hitler, der sich mit einem Glas Bier erquickte, in einer Luftdruckflasche, einem sogenannten Syphon, aus der Fabrikkantine schon bereitgestellt, und fragte ihn, ob er einige verdiente Hamburger Parteigenossen kennenzulernen wünsche. Nichts wie raus und niederlegen, erwiderte er ärgerlich und abgespannt. Hatte sich soweit wieder in der Gewalt, daß er den Salut der einzelnen Herren entgegennahm, die ihm Heß unter Nennung ihrer Namen vorführte. Als sie bei Footh und Teetjen ankamen, schienen Geduld und Kräfte des Führers wirklich erschöpft. Die beiden Herren in ihren Uniformen, ebenso wie drei andere in Zivil, wurden gerade noch vorgeführt, ihre Verdienste, um derentwillen sie die Ehre hatten, verschluckt, und der Wagen des Führers durch die Menge der Umstehenden bis an die Stufen herangeführt, bis an das hölzerne, teppichbelegte Gerüst, auf dem sich das Ganze abspielte. Sieht aus wie damals das Schafott, dachte Albert Teetjen, als sein Blick daran hängenblieb, indes der Wagen schon wieder durch die heilrufende Menge hinausrollte. Aber das Heilgeschrei klang matt, und »ihr Hamburger seid eben unverbesserlich, Kabeljau und Dorsch«, spottete Rudolf Heß, mit ärgerlichem Unterton zu dem Reichsstatthalterhingewandt, bevor er seinen eigenen Wagen bestieg. Der hatte ja nun auch schwarze Augen und dunkles Haar, vermerkte Albert bei sich; ich bin hier wohl der einzige von nordischer Rasse, Wikingerblut, und er gab sich einen besonderen Ruck, warf den Kopf in den Nacken, schlug den Mantelkragen hoch und knöpfte ihn fest zu, denn es war doch kälter, als man der blassen Sonne wegen erwartete, feuchtkalt, hamburgisch. Hätte sich Albert nicht an ihn gehalten, Kamerad Footh hätte ihn mitten in dem weiten Fabrikhof draußen im
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