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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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leider nicht reich genug, um das Ganze selber zu erwerben. Wie aber nun der Zufall spielt, hat mir ein Bekannter aus Südamerika vorgestern einen Scheck geschickt, ein Darlehen zurückzahlend, das ich ihm vor Jahren vorschießen konnte. Da ich diese Summe längst vergessen hatte, möchte ich sie zum Ankauf dieser Sammlung Mengers’ verwenden. Nun habe ich aber keinen Platz in meiner Wohnung, und meine brave Marie versichert immer, Bücher seien Staubfängerund störten. Sie nun, lieber Herr Koldewey, haben oben in Ihrer Mansarde Raum für mehr als ein neues Bücherregal, und wenn Sie sich beteiligten ...« Annette verzog ihr Gesicht schmerzlich und drückte für einen Augenblick beide Hände gegen die Ohren. Herr Koldewey sah es nicht; er vertiefte sich in das mit der Maschine geschriebene Folioblatt, ein zweites zwischen den Fingern. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Da ist manches auch mir Neue. ›Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken mit einer Einleitung von Sigmund Freud.‹ Kennen Sie das?« – »Noch nicht«, entgegnete Käte Neumeier, »und da wäre noch manch anderes.« – »Leider stehen die Preise nicht dabei.« – »Man wird sie als gebrauchte Bücher taxieren lassen. Da der Erlös der Staatskasse zufließt ... « und alle lächelten. »Gut«, sagte Herr Koldewey. »Wir wohnen also der Stiftung bei der Gedächtnisbibliothek Mengers. Wenn der Gesamtpreis unsere Mittel nicht übersteigt, Frau Käte, lasse ich mir in unserer Tischlerei ein Regal anfertigen, und dieses Haus besitzt einen Anziehungspunkt mehr.« Der Blick, den er auf Käte Neumeier ruhen ließ, und der Ausdruck seines länglichen Gesichts war in diesem Zusammenhang schon lange nicht mehr bei ihm aufgetreten. »Eure Erfindung macht mir gar keinen Spaß«, klagte Annette. »Ich glaube nicht, daß ich da oben schmökern werde.« – »Wer weiß«, meinte Herr Koldewey. So weht, dachte er dabei, der Wind einen Pfeil auf den Schützen zurück, der ihn auftragsgemäß abgeschossen. »Diesen Nervenkranken möchte ich mir a priori ausleihen«, bat Käte Neumeier, »eine solche Einleitung verspricht manches.« – »Senatspräsident Dr. Daniel Paul Schreber – wer ist das?« fragte Koldewey und antwortete sich selbst: »Nun, wir werden’s ja sehen. Professor Freud wird ja wohl nicht einen erstbesten der Leserschaft vorstellen. Neudruck, steht dabei. Es ist jedenfalls sehr hübsch, daß Sie gleich an mich gedacht haben.« – »An wen wohl sonst?« bedankte sich Käte Neumeier. »In die Bibliothek des SA.-Sturms Rothenbaumchaussee paßt all das ja ohnehin kaum, und Geld haben Jungens für Bücher auch nicht.« – »Wir auch nicht«, lachte Koldewey, die Augen und den Zeigefinger mit dem langen Nagel in der Bücherliste. »Und hier wäre ein Titel, den uns Ihr guter Bekannter abnehmen könnte: Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst,Band I–IV, sollte etwas für Herrn Lintze sein; wollen doch mal gleich fragen.« Und da es noch gar nicht so spät war, kaum neun Uhr, ließ sich Herr Koldewey mit dem Oberstleutnant verbinden. In der Wohnung meldete sich Frau Thea Lintze. Der Oberstleutnant hatte die Gelegenheit benutzt, schnell mal nach Berlin zu fliegen; er würde morgen wieder zum Dienst sein und sich übermorgen früh bestimmt freuen, Herrn Koldewey Bescheid zu geben. Trotz gewisser Aufbesserungen in der letzten Zeit hatte man es leider auch nicht so reichlich, daß man sich alle Lieblingsbücher anschaffen konnte. Aber der Delbrück wäre, wie sie ihren Mann kannte, bestimmt keine kleine Versuchung. »Hoffen wir, daß nicht nur der Geist willig ist, sondern auch das Portemonnaie.« Vielleicht gar ein Weihnachtsgeschenk, wie sie es für ihn schon lange suchte.
    Käte Neumeier hatte sich einige der Mengersschen Bücher von ihrem Neffen in die Wohnung bringen lassen und den kleineren Teil des fälligen Betrages durch den Verkauf jenes Schecks auf den Tisch des Hauses zahlen können – jenes Schecks, der wie ein Geschenk des Himmels hereingeschneit. Als sie K. A. Lintze damals mit achtzig Mark zur Bezahlung längst fälliger Kolleggelder verhalf, hatte es zwischen ihnen ein solches Einverständnis gegeben, daß Mein und Dein dabei keine Rolle spielte ... Danach hatte sie, angesichts der Tatsachen, die in den tiefsten und wichtigsten Seelenschichten spielten, Geld und Geldeswert vergessen. Wahrscheinlich war es ihm ähnlich ergangen, obwohl sich ein Schuldner, moralisch gesehen, in einer sehr anderen Beziehung zu geliehenem Geld befinden sollte als

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