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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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zusammengepreßt, die Winkel abwärts, als er nickte. »Man bleibt immer noch in den Grenzen des Möglichen«, ergänzte er dann. »Man beabsichtigt, den Anschluß zu vollziehen, der schon so lange verzögert wurde.« Käte Neumeier ertappte sich bei dem gleichen Kopfschütteln, das sie vor einiger Zeit an sich bemerkt hatte, als Herr Lintze mit seinem Wagen davonrollte, nach einem Gespräch im Wandsbeker Park und einer Geschichte von vier SS.-Leuten. »Die Angelegenheit hat immer noch Hand und Fuß«, fuhr Herr Lintze fort. »Der Duce soll durch das spanische Trinkgeld von seiner Wacht am Brenner abgebracht worden sein. Auch sind wohl allerhand Fühlfäden ins Gefüge der westlichen Demokratien hineingetrieben worden. Nun darf nicht Soldat werden, wer kein Risiko auf sich nehmen will, aber eine Grenze muß das Spiel haben.« Frau Thea Lintze saß mit bei den dreien, ein hellbraunes Tuchkleid knapp um die schlanke Gestalt. »Ich habe zwei Jungens von dreizehn und fünfzehn«, bemerkte sie gleichsam ohne Zusammenhang, und doch verstand jeder, was sie meinte. »Österreich«, sagte Käte Neumeier und ließ ihre Stimmeschweben. »Das kann recht schief gehen.« – »Nicht, solange die Männer geistig gesund und voll wacher Verantwortung bleiben, die unseren letzten Einsatz entscheiden. Von Fritsch, von Hammerstein, von Blomberg – das hat Gewicht, verrät schon am Klang die Tradition von Düppel, Königgrätz, Sedan, Tannenberg. Diese Leute hat niemand ein mit Zeichnung bedecktes Papier zerfetzen sehen, kein Mensch kennt Ansichtskarten, die sie wie einen wildgewordenen Affen darstellen. Nun mag man in Berlin dazu verführt werden, die Welt jenseits der grauen Gewässer voll Salz und Gesprüh gering zu schätzen. Da hat man den Wannsee oder in München den Würmsee – dergleichen führt zu Überhebung. Selbst unser Ludendorff hat das Ausland erst besichtigt, als es hinter unserer Front lag. Wer aber will aus solchen Fehlern ein Prinzip ableiten? Ich nicht. Wir nicht. Darum kam mir so zurecht, was Sie mir andeuteten. Kramen Sie es aus und verlassen Sie sich auf meine Verschwiegenheit. Es ist die von Leuten mit zwei Söhnen und einer Zukunft innerhalb des grauen Rockes.« – »Sie wissen doch, daß uns versprochen wurde, unser Führer erreiche alles ohne Krieg, was Deutschland zur Größe noch benötige.« Herr Lintze entzündete nervös eine neue Zigarette. »Sie denken doch hoffentlich nicht«, bemerkte er, nach einem ärgerlichen Blick auf Frau Thea, »als fürchte ein Soldat für sich oder seine Kinder einen Krieg – bitte sehr. Wenn’s nicht anders geht, haben wir ja schon gezeigt, wie sich und wo sich das deutsche Volk schlägt. In Flandern, der Krim, bei Gaza und Riga. Aber nur mit normalen Menschen an der Spitze. Geführt von Männern, die wirklich wissen, was Verantwortung heißt, und das Gewicht von Tatsachen abschätzen können, bevor sie sie schaffen – nicht hinterdrein mit Nervenzusammenbruch und Tränenkrisen. Die überlassen wir den Damen. Hat ja Äquivalente dafür zu bieten, das schwächere Geschlecht.«
    Käte Neumeier mußte sich zusammennehmen, um ihre Verwunderung zu verbergen über die Art, wie sich der Offizier mit dem hübschen Mund hier über jenen Lintze erhob, mit dem sie im Wandsbeker Stadtpark geistig Schach gespielt, damals in der Ur- und Vorzeit, als es noch einen lebenden Menschen namens Friedel Timme gab. Von dem heutigen Lintze ging irgend etwasaus, man konnte es die Kraft der Verzweiflung nennen. »Si vis pacem, para bellum«, zitierte sie mit gesenkter Stimme. »Schwindel«, bemerkte Koldewey trocken. Lintze sah zu seinem Gaste hinüber: »Ich fürchte, Sie könnten recht haben. Niemand will den Krieg, keine Armee auf Erden wollte ihn je, Napoleon troff von Friedensschwüren. Ein rumänischer Gelehrter hat ausgerechnet, las ich kürzlich in unseren Wehrblättern, zwischen fünfzehnhundert vor und achtzehnhundertsechzig nach unserem Herrgott seien über achttausend ewige Friedensverträge geschlossen worden. – Durchschnittsdauer zwei Jahre. In derselben Zeit habe es etwa dreihundert Friedensjahre auf Erden gegeben, gegenüber dreitausend Jährchen, in denen Fritz Schillers Kriegsfurie auf beliebte Weise durch die Länder raste. Wenn der Mann recht hat, hab’s nicht nachgeprüft, dann steht uns in Bälde wieder was bevor. Trotz der anglo-amerikanischen Nachgiebigkeit.« Herr Koldewey griff mit einer fast zitternden Hand nach der Weinbrandflasche auf dem Tisch, schenkte sich ein

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