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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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dem Wege ging und kurz ein echter »Skorpion«, wie so viele Menschen, die Ende Oktober geboren wurden. Behauptete die Zeitschrift für Astrologie, die er nach dem Weltkrieg ein paar Jahre lang bezogen, bis es ihm zu dumm wurde. Sein Doktor Laberdan war ja sicher auch Astrolog, Spökenkieker, Homöopath – all das gehörte zusammen, es fraß sich nicht das Futter weg. Freund Nietzsche hatte irgendwo an den Zusammenhang zwischen Astrologie und Moral getippt, man mußte doch sehen, wo sich die Stelle fand. Aber ohne Zweifel konnte, wer wollte, an den Tierversuchen Anstoß nehmen, zu denen die Absenderin Curare brauchte. Das Dritte Reich verkoppelte Sentimentalität gegen die Tiere mit seiner liebenswürdigen Härte gegen den Geist und gegen die Menschen; das Wort »Heilversuche« wäre besser gewesen. Und all das beiseite, wer diesen Brief absandte, stiftete der nicht eine Ursache? Ging man mit ihm nicht zu den Gegnern des Dritten Reiches über, ob man wollte oder nicht – eine Entscheidung treffend, die man so viele Jahre vertagt, um die man sich so sehr gedrückt hatte? Es mochte sein, daß Verdacht gegen diese Anforderung eines bekannten Pflanzengiftes nur fassen konnte, wer in die Absichten innerhalb gewisser Gespräche eingeweiht war. All diese Vormittagsbedenken richteten sich möglicherweise gegen die Beschlüsse und Phantasien der Abende und Nächte – ein Unterschied, der selbst dem Verfasser von »Mein Kampf« geläufig geworden, obwohl er ihn nur mit Frische und Ermüdung zusammenbrachte. Jedenfalls mußte einen Mitschuldigen haben, wer einen solchen Brief losließ. Wahrscheinlich war Herr Lintze noch in seiner Wohnung erreichbar.
    »Großartig«, krähte Herr Lintze ins Telephon, »Telepathie und Verwandtes. Ich hatte unbedingt die Absicht, Sie heut’ noch vordem Lunch umzustoßen – auf fünf Minuten hinauszukommen.« – »Als Heiliger-Drei-König oder so«, erwiderte Herr Koldewey vergnügt, »und falls Sie durch Wandsbek fahren, bringen Sie vielleicht Dr. Käte mit?«
    Herr Lintze kam alleine. Was sie zu besprechen hatten, vertrug keinerlei Zeugen. Glaubwürdig war ihm aus Danzig berichtet worden, einer der höchsten Beamten dort habe mit eigenen Ohren den Führer wörtlich sagen hören, es werde ihm nicht darauf ankommen, drei Millionen junger Deutschen zu opfern auf dem Wege zu Deutschlands Größe. »General Ludendorff hat sich mit zweien begnügt, das Ergebnis war Versailles. Spielt ein solcher Mann schon heut’ mit drei Millionen, so weiß der Teufel, wieviel es werden können, und ob das Ergebnis nicht verdammt nach Münster und Osnabrück riecht. Danach saß Frankreich wieder in Metz und im Elsaß, Schweden in Pommern und Bremen und das Reich ging zum Teufel. Noch nie hat sich ein Österreicher mit Glück in unsere preußische Politik gedrängelt – und ein geborener Katholik.« Herr Koldewey lehnte betroffen in seinem Stuhl und spielte mit der zu Ende gerauchten Zigarre. »Auch wenn er, wie in unserem Falle, keinen Gebrauch davon macht?« – »Erst recht«, erwiderte Herr Lintze eigensinnig, »und das sind die Schlimmsten. Denen kreist das Pfaffengift im Leibe.« – »Den Brief also abschicken?« – »Nischt wie raus! – Übrigens«, ergänzte der Offizier, bevor er sich verabschiedete, »ehe Sie nach Glasmoor fahren, der Mengersschen Papiere wegen, wie Sie sagten, rufen Sie doch mal erst dort draußen an. Auf den vereisten Landstraßen ruht jetzt kein Segen. Vielleicht hat man den Mengersschen Nachlaß dort längst gefunden. Übrigens, falls Ihnen das angenehmer ist, machen wir das Gespräch heute nachmittag auf meiner Dienststelle. Nachrichtenoffiziere haben gewisse Privilegien.« – »Zuchthausdirektoren auch«, lächelte Herr Koldewey. »Wir sind erstklassige Verbündete, Herr Oberstleutnant. Aber gut, recherchieren Sie.«
    Bei Tisch erfuhr Herr Koldewey, das Adlerchen streike für die nächsten Tage. Er wollte ja auch mit der Eisenbahn fahren, beharrte er. »Die geht aber nur bis Ochsenzoll«, meinte Thyra, die in der Harksheide am besten Bescheid wußte. »Und wie dieWege sein werden, nachdem der Matsch jetzt heftig friert?« – »Eisenbahn ist in Ungnade«, lachte Ingebottel. »Der Führer will nur Autostraßen, Omnibusse, den Volkskraftwagen. Die Lokomotive hat ausgespielt, in ein paar Jahren, sagt Herr Riechow, werden wir die Schienenwege verschrotten. Sind ja auch altmodischer und umständlicher, als die Polizei erlaubt.« Herr Koldewey wiegte sein Haupt. Er hatte die

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