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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Gedeihen im Schutze der Reichswehr. Da paßt es ja ganz gut, daß unser Zug mit Uniformen aufwarten kann, daß es nur eine Art hat. Marine-Artillerie, Marine-Flieger, Marine-Infanterie, Kriegsmarine, Harburger Pioniere, Gott weiß, was Bert mir alles vorhin erklärt hat, mir und Annette. Die Zeit ist gottlob vorüber, wo wir Mädels mit all den Kinkerlitzchen der militärischen Rangordnung vertraut waren. Wie hatte doch Herr Lintze gestern, Sonnabend abend, in einem letzten Gespräch zu dritt, seine freundlichen Absichten formuliert, als es sich um den handelte, der einem gewissen anderen ein Beil auf den Fuß fallen lassen sollte, gesalbt mit Curare? »Ein Schlächtermeister und zweitausend Mark, wie weit langt das schon in unserer Kantine! Wo alle Löhne sinken und jede Hausfrau zaubern muß! Vielleicht, wenn’s bei dem Sportsmann soweit ist, greifen wir ihm mit einem neuen Angebot unter die Arme. Wer A sagt, buchstabiert auch weiter, und in unserem Falle brauchte er auch das C gar nicht mehr auszusprechen. Die Zeh gehört dem anderen, und unser Schlächtermeister hieße von da an vielleicht Marinus der Zweite.« Er hatte freundlich mit seinem kleinen Munde gelächelt, als er diese Erinnerung an den unseligen Marinus van der Lubbe vorbrachte, und Käte Neumeier war es kühl über die Arme gelaufen. Sie mußte bald mal bei Barfeys nachfragen, wie der Teetjensche Weizen blühte. Konnte sein, aus ihrer Strafexpedition wegen Friedel Timme erwuchs noch etwas Brauchbares fürs große Ganze. Komisch nur, und sie lächelte vor sich hin, daß man mit der Reichswehr an einem Strange zog, um Friedel Timme zu rächen, ein Reichswehropfer. Offenbar verwirrten sich die Zeiten immer mehr, aber wie wiederum Herr Lintze es neckisch formuliert hatte: Deutschland war eine Messe wert, sogar eine schwarze.
    Der Zug hatte inzwischen längst die Elbe überschritten. Vereisteund beschneite Weite und ein blaßblauer Himmel; Wind, der den Rauch nach Westen wegblies. Als Käte Neumeier sich den Freunden wieder innerlich öffnete, sah sie Koldeweys lange Ziegenmiene auf ungewisse Art belustigt dem Bert zugekehrt, indes Annettes zarte Brauen sich runzelten und ihre Augen mißbilligend blickten. »Sie geht ein wenig weit, ihre Frau Mengers«, meinte sie tadelnd. »Man hält ihr ja alles zugute, aber daß Deutschland dem Erdboden gleichgemacht werden soll ...!« Käte Neumeier wußte, wovon man sprach. Bert hatte es ihr erzählt, als er sie heute morgen abholte. Er hatte von den Mengersbüchern eines zurückbehalten, auf das er schon lange gefahndet, Forsters Ansichten vom Niederrhein, und als er es öffnete, um vor dem Schlafengehen noch darin zu schmökern, war ein dünnes Oktavheft herausgefallen und in diesem nichts als Gedichte – Sonette und Strophen von Walter B. Mengers. Gar nicht häßlich, eines hatte er sich sogar abgeschrieben, aus der Schule des großen George; es hieß den Führern. Anderntags hatte er den Fund der Mutter und Erbin in die Rothenbaumchaussee hinaufgetragen, wie sich’s gehörte. Das hatte die gute Frau sonderbarerweise fast aus dem Häuschen gebracht, so daß, als sie erfuhr, er beabsichtige Dienst in Südamerika zu nehmen, sie mit beiden Händen nach seinem Arm griff und ihn beschwor, diesen Vorsatz ja auszuführen. Schon 36 habe ihr eine Frau in der Reimerstwiete, die sie wegen ihres Sohnes in Irland aufsuchte, aus den Karten geweissagt, sie solle Deutschland ja verlassen, es werde dem Erdboden gleichgemacht werden. Sie habe nichts darauf gegeben und sitze ja auch noch hier, die Frau aber genieße einen beträchtlichen Ruf, nur könne sie ihm den Namen nicht verraten, da Kartenlegen und Astrologie jetzt auf der schwarzen Liste ständen – offenbar weil zuviel Unheil in den Karten vorgedeutet sei. Humbug oder nicht, hatte Frau Mengers gesagt, etwas ist dran an den Leuten, zweites Gesicht oder dergleichen. Meinen Ältesten würde ich bald besuchen; aber auf meinen Jüngeren sollte ich aufpassen, dem drohe Unheil, und sie sehe ihn nicht mehr. Kein Wunder – unter die Erde kann man nicht kucken.
    »Einer Mutter hält man vieles zugute, und daß nicht nur Köchinnen unsere delphischen Sibyllen aufsuchen, ist uns ja bekannt.Im übrigen gehört das Verbot, auf das die Dame anspielte, zu den sympathischsten Taten des Ministers. Auch der Erkenntnistrieb weiß auszuarten, nicht erst seit gestern – siehe Eva im Paradies, um die Meistersinger zu zitieren.« Und er summte ein paar Takte, wobei klar wurde, daß Annette

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