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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Musik und Duft der verwelkenden Rose, die Hand mit dem langen Zeigefinger und erklärte, er habe keine Söhne. Aber der Sitzende nickte nur »auch Töchter zählen, Exzellenz, im Neuen Reich, und das ist der vierte Satz. Sie brauchten ja nicht hinzuhören, wenn in Ihrer besonderen Abteilung geklopft wurde und geschrien«. – »Wer hat auch überall hinzuhorchen«, hatte ihn Herr Koldewey zurechtgewiesen. Musik und Grausamkeit vertragen sich wohl, und »nicht alles Wissen macht glücklich«. Aber da nahm die Musik einen Marsch- oder Tanzton an, tam tara, tam tara, tam tara, taramatama-Tango, und ohne zu wissen wovon, war Herr Koldewey erwacht. Er hätte zu gerne noch in den Abgrund geblickt, aus welchem dem verewigten Hans Brahms die tiefen Eingebungen gnadenhaft gekommen waren, und aus welchem der Stiel der Rose aufstieg, mit dem Polster, darauf das Hagebuttenmännchen saß, aber das gelang ihm nun nicht, auch in der Erinnerung nicht mehr. Auf alle Fälle hatte er da unten Männer stehen sehen, mit einer hohen Stirnglatze mit wilden Haarwüchsen, mit brahmsschem Vollbart und Nietzsche-Schnauzer, und jetzt, da er geschlossenen Auges in seinem Kopfkissen lag, kam das Bild zurück. Ja, Hamburg hatte es in sich, und gebar Hammonia einen Musiker, dann gleich den richtigen. Schade, daß Friedrichs Ohren so verwagnert waren, daß er vom ollen Johannes nichts verstand. »Melancholie des Unvermögens« stand über Brahms im »Ecce homo« geschrieben. Oder vielleicht im Nietzsche contra Wagner? Welchen Klatsch hatte er da aufgeschnappt? Welch närrischen Unfug drucken lassen? Herr Koldewey lobte das kritische Vermögen, pries, kalte Luft einatmend, die klare Hamburger Denkart des zweimal zwei gleich vier. Die Käte Neumeier würde er heiraten und die Geschichte mit dem Beil und dem Oberstleutnant Lintze ernster nehmen als bisher. Die schwarze Rose der bürgerlichen Zivilisation war einen tüchtigen Ruck wert. Kein Koldewey, Hauptmann der Landwehr, durfte sich dafür als zu kostbar halten. Jawohl, Herr Major! Zu Befehl, Herr Oberstleutnant ...

II. Teil

Fünftes Buch
Koldewey empfängt ein Zeichen

Erstes Kapitel
Waschgespräche
    Nach dem Volksglauben tut man gut daran, zwischen Weihnachten und Neujahr weder Leinen zu spannen noch Wäsche zu hängen. Es könnte in der Familie eines sterben. Pastor Langhammer, solange er sich noch seiner gesunden Knochen erfreute, hatte einmal oben bei Geesche Barfey dem geweckten Tom erklärt, wie dieser Aberglaube möglicherweise zustande gekommen sei: Den Anfang machten die ellenlangen Nächte, die dunkelsten des Jahres, wo in nordischen Gegenden die Sonne offenbar überhaupt keine Lust mehr verspürte aufzutauchen. Daß in ihnen die Dämonen gute Zeit hatten zu spuken, die Seelen der Toten, das verstand sich am Rande. Bis zu Dreikönig erfreuten sie sich einer Freizeit, durften geistern und sich zeigen und mit den Menschen umgehen, nach denen sie Verlangen trugen. Sie waren aber schreckhaft, die armen Gespenster, hängende Wäsche verscheuchte sie, wie ihre Vettern, die Vögel des Feldes, und dann rächten sie sich und holten den Schuldigen in ihre Gesellschaft. Darum hatte Frau Barfey zwischen Weihnachten und Dreikönig ihre Urlaubszeit, und sie genoß sie in ihrer Häuslichkeit, bei Tom, der den Bericht Pastor Langhammers über die Mißhandlungen, Martyrien und Selbstmorde im Lager Glasmoor mit einer Schönschrift vervielfältigte, die jeden Graphologen verärgert hätte. Um so mehr war für Geesche Barfey und ihre Auftraggeberinnen vor Weihnachten zu tun; die Hauswirte hätten zwei Waschküchen zur Verfügung haben müssen, um alle ihre Mieter zu befriedigen, und die Hauswarte mußten schlichten, ordnen, sogar drohen, damit alles in Reih und Glied blieb. Wäsche in und außer dem Hause, Wäsche bei Lawerentzens und Petersens, bei Dompfaffs und Holzhausen, bei Dr. Carsten und Lehrer Reitling, bei Hebamme Pichler und Klempnermeister Drohm und zweimal bei Lehmkes, in der Bierstube zum braven Husaren. (So hatte sie vor und während desvorigen Krieges geheißen, und dann war dieser Name der allgemeinen Entmilitarisierung Deutschlands zum Opfer gefallen. Herr Lehmke war sein eigner Schutzpatron geworden. Jetzt erwogen Lehmkes, den alten Namen wieder aufzunehmen, zeitgemäß abgewandelt »Zum braven Panzer«, und bei einem Maler, Mitglied des SS.-Sturms Preester, ein auf Blech gemaltes, wetterbeständiges Schild zu bestellen, das der ganzen Straße einen höheren Schick geben würde.)
    Mitte

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