Das Beil von Wandsbek
aus und hin. Der Mensch muß schon gerade stehen für das, was er tut. Leute hinmachen auf Befehl von Schurken und Dummköpfen und raffiniert geschmierten Ludern, bitte sehr, ist immerfort vorgekommen und wird immerfort vorkommen, solange Schuljungs zu servilen Kreaturen erzogen werden und wildgewordene Schulmeister ihre besoffenen Launen mit Gerechtigkeit verwechseln und aufputzen. Aber die Sonne bringt es an den Tag, so stand’s im Lesebuch – war ein ganz hübsches Gedicht, mit einer Untertasse und Sonnenkringeln an der Wand. Einer hatte gemordet, und er mußte es ausplaudern. Wie die Mutter es vorhin benannt hatte: es preßte ihm die Zähne auseinander und schlüpfte ihm über die Zunge. Diesmal war diese Aufgabe einem andern zugefallen, einem kleinen, übersehenen Krüppel im Dachgeschoß des Hauses. Einerlei; Hauptsache blieb: Masken halfen nichts, Recht war nicht, was dem deutschen Volke nützte, Recht und Gerechtigkeit stellten eine Sprungfeder für sich dar, die, war sie einmal aufgezogen, Arbeit leistete. Wie diese Spielzeuglokomotive weiterlief, würden wir ja sehen.
Daß sie nicht ohne weiteres und zum Spaßvergnügen des Absenders laufen würde, erfuhr Tom von Olga Lawerentz. Seitdem das Wetter kalt war, regnerisch und Schnee, mußten sich ihre Zusammenkünfte in der Wohnung vollziehen, und es gestaltete sich einigermaßen schwierig, Stunden dafür zu finden, in denen weder Geesche da war, noch die Abwesenheit Olgas daheim auffiel. Beim Wäschewaschen mußte Olga fleißig heran; gleich am nächsten Tage meldete sie sich bei Tom. »Du bist doch klug, Tom«, sagte sie und fuhr ihm durch die Haare, »laß deine Mutter mit Neuigkeiten vorsichtig umgehen. Da hat sie bei uns die Mordsgeschichte von Albert Teetjen erzählt. Aber wie ich sie Vatern hinterbrachte, kriegte der seine bösesten Augen – und ich kenne ihn doch: es war Wut, aber mehr Angst als Wut. Die sollen die Schnauze halten, die sowas erfinden wollen, sagte er, die SS. wohnt schräg überm Damm, und die halten zueinander. Morgengibt’s Hammelrippen, hat Albert annonciert. Gehst morgen vormittag rein, Olga, und bleibst ein bissel drin und zeigst dich, verstanden! Und wenn’s dreimal dasselbe Beil wäre, aber es ist’s nicht. Und wenn ja, ist’s gewaschen und desinfiziert. Ein Mann, der dem Führer vorgestellt worden ist! Der steht für uns, und wir stehen zu ihm.« Und von Lehrer Reitlin, dem Blockwart, der die Parterrewohnung im Vorderhaus innehatte, auf der anderen Seite der großen Einfahrt, die das Haus in zwei gleiche Teile teilte, von Lehrer Reitlin berichtete sie, er habe ungeheuer gelacht, als ihm der Vater das Geheimnis zugetragen, habe ihm auf die Schultern gehauen und gerufen: Das kriegen Sie in Vertretung von Teetjen, Lawerentz, summa cum laude, mit Eichenlaub und Schwertern. Stirnrunzelnd fragte Tom, was das heißen solle, denn der Summer kummt in die Laube, werde es ja wohl nicht meinen. Im übrigen sei der Reitlin verrückt, das wisse jeder, der ihn mal als Blockwart bei einer Hausversammlung beobachtet habe. »Wird wohl dasselbe bedeuten wie Eichenlaub und Schwerter, gut, prima Bockwurst. Daß aber mit der SS. nicht zu spaßen ist, weißt du ja selbst. Und wenn sich herausstellen sollte, es wäre nicht wahr, und Albert klagt, fliegt deine Mutter ins Kittchen.« – »Mach dich nicht wichtig«, sagte Tom, »der und klagen! Und wenn dein Vater die Sache herumträgt, ist er ja mitschuldig.« Und mehr will ich gar nicht, dachte er für sich. »Haben sie euch geschmeckt, die Hammelrippchen?« – »Hör auf, Tom«, bat Olga. »Mutter und ich mußten uns immerfort ansehen, sowie der Vater wegguckte. Es war gar keine nette Sonntagsmahlzeit diesmal.«
Geesche Barfey aber, als Tom ihr Olgas Warnung vor dem Schlafengehen ausrichtete, murmelte, indes sie ihre dünnen, grauen Haare flocht: »Das laß gut sein, Tom. Da wacht der liebe Gott über. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden, sagt die Schrift. Und wird auch. Und man soll Gott mehr fürchten als den Menschen. Wenn aber die Mannsen Angst haben, denn meinswegen. Unser Herrgott sucht sich seine Treuen dann eben unter uns Weibern. Wenn Menschen schweigen, werden Steine schreien, steht bei Habakuk oder vielleicht bei Zephania.« – »Und wie wär’s mit dem Neuen Testament?« fragte Tom und lächelte mit freundlichem Spott, sei esüber die beiden sonderbaren Namen oder über seine bibelfeste Alte. Übrigens hieb die Olga in dieselbe Kerbe,
Weitere Kostenlose Bücher