Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
das Zimmer verließen, nahm Herr Koldewey die Gelegenheit, mit Frau Käte ein paar Worte zu wechseln, die nur sie beide verstanden: »Neigte ich zum Aberglauben, so müßte ich sagen: ein Zeichen. Erst Kurare und dann das Beil ...« – »Undalles drei durch deine Kinder«, spottete Frau Käte mit funkelnden Augen. »Außerordentliche Zeiten erzwingen außerordentliche Mittel, sagt dein Herr Nietzsche irgendwo, und nun hab ich mich außerdem versprochen, alles beide durch deine Kinder.«
    Ja, da gab es eine heitere und umfängliche Frühstückstafel, ausnahmsweise im Eßzimmer mit den hohen Kirchenstühlen, wie für den heutigen Tag sich alles ausnahmehaft anließ. Herr Koldewey, in einer kleinen Rede, hatte gleich beim Niedersetzen seinen Töchtern und dem Ehepaar Teetjen für die sinnige Gabe gedankt und versprochen, bei guter Gelegenheit auf einem Metalltäfelchen den Namen des Gebers zu verewigen, »sofern wir von Ewigkeit in unserer gebrechlichen Welt überhaupt reden können.« Worauf Herr Professor Rohme dem Dritten Reiche mindestens die zehnfache Lebensdauer prophezeite als der Weimarer Republik. Nach dem Sieg über Moskau, den wir in den nächsten Jahren erleben würden. »Gott, Rohme«, lachte Koldewey, »Sie haben gut Krieg prophezeien, während unseres Weltkrieges dozierten Sie schon in Zürich, und jetzt: auf nach Amerika, das es ja, wie Sie wissen, besser hat.« – »Keine verfallenen Schlösser, keine Basalte und keine Beteiligung an unseren europäischen Händeln. Denn daß sich, nach den Erfahrungen des ersten, kein zweiter Woodrow Wilson unter den Washingtonern finden dürfte, davon ist man in Genf überzeugt, die Unverbesserlichen ausgenommen. Diese Unverbesserlichen glauben ja auch, hinter den ›Holzschlägen‹ in der Roten Armee, womit sie die Beseitigung der fähigsten russischen Generalität meinen, den Finger euerer Gestapo fühlen zu sollen. Wir lachen darüber, weil Revolutionen immer ihre eigenen Kinder fressen, aber daß eure Wiedergutmachungspolitik mit den Russen als ernsthaften Gegnern nicht zu rechnen braucht, pfeifen doch die Spatzen von allen Züricher Dächern. Es ist erstaunlich«, schloß der Professor, Annettes herrlichen Kaffee andächtig kostend, »als Wissenschaftler Zeuge zu sein, wie eine geniale Kraft sich von den untersten Schichten der Gesellschaft aus bis zu einer Höhe emporarbeitet, auf der sie keinen Ebenbürtigen findet, kaum geeignete Partner, um Weltgeschichte zu machen. Hat sich je eine platonische Idee in einem Menschenverkörpert, so die der deutschen Nation in dem einst so verlachten Adolf Hitler.« Annette und Bert, die einander in der Mitte der Tafel gegenübersaßen, hörten Rohme noch versichern, es werde nur zu einem militärischen Aufmarsch, kaum aber zu mehr kommen, wenn Deutschland jetzt an die Bereinigung des tschechoslowakischen Problems gehe, die Heimführung der deutschen Minderheit aus diesem künstlich aufgeblähten Staate; dann wandten sie sich der Jugendecke zu, wie Annette es nannte, wo auch von Kriegsvorzeichen gesprochen wurde. Thyra, die brünetteste der drei Schwestern, ließ ihre dunklen Augen von Stine zu Teetjen wandern und fragte sie aus. Ingebottel nämlich hatte beim Beißen ins Butterbrot verraten, vor ihrer Schwester müsse man sich in acht nehmen, sie sei Astrologin und höre das Gras wachsen, worauf Herr Teetjen gefragt hatte, ob sie dann vielleicht auch eine Erklärung wüßte für komischen Spuk – einen Heereszug, der am Ohlsdorfer Friedhof vorübergezogen sei, vielleicht auch mitten durch, oder ob schon so früh morgens Manöver in großen Verbänden angesetzt worden wären. Gewisse Menschen, entgegnete Thyra, besonnen und müde, mehr als man glaube, besäßen gewisse Gaben. Das Dritte Reich hatte dazu geholfen, sie bloßzulegen. Sie werde nächstens einmal bei Teetjens vorüberkommen, um mehr zu erfahren, wenn es den beiden Volksgenossen recht sei. Und während Stine die Lippen ängstlich zusammenkniff – nur nicht davon reden! – kippte Albert einen zweiten oder dritten Kognak hinter die Binde und freute sich auf den Besuch. Die neue Frau Mutter kannte genau das Haus und die Straße. Dabei fühlte Albert einen Blick auf sich ruhen, begegnete dem nachdenklichen Hinübersehen Frau Dr. Neumeiers, hob sein Glas und trank ihr zu. Nur nicht absinken, dachte er dabei. Immer zu denen gehören, die mit am Tische sitzen. Ich wieder Angestellter? Lieber tot.
    Ja, Käte Neumeier ließ ihre Augen auf diesem Albert Teetjen ruhen und

Weitere Kostenlose Bücher