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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Erfolg? »Alle Frauen, alle Mädchen kaufen Wellwurst nur bei Teetjen.« Nein, das taten sie eben nicht. Es gab keine Teetjens mehr augenscheinlich. Niemand würde sie vermissen, wenn sie nach Spanien gingen – auch wenn Spanien ganz wo anders lag, gar nichtauf der Erde, sondern unter ihr ... Elbabwärts treiben, das ging nicht. Dazu waren sie beide zu gute Schwimmer. Darum lernten ja früher die Matrosen nicht schwimmen, damit sie sich im Wasser nicht lange quälten. Er und seine Stine hatten was gehabt von den Tagen der Republik, dem Volkssport, den Freibädern und Badestränden. Für ihn und seinesgleichen wäre es in Hamburg auch noch ohne den nationalen Sozialismus weitergegangen, besser auf alle Fälle als mit ihm. Gewiß gab’s damals Arbeitslose, sogar recht viele, die als Kundschaft ausfielen. Aber jetzt, bei voller Beschäftigung mit Überstunden und Überschicht, fielen ihm, Teetjen, alle Kunden weg. Für ihn waren alle jetzt Arbeitslose, einschließlich seiner selbst. War er vielleicht doch ein solcher Esel gewesen, wie in dem Vers stand, den die Sozis früher als Wahlparole benutzten: »Nur die allergrößten Kälber wählen ihre Metzger selber?« Das hatte er getan, die Liste der NSDAP. gewählt, in die SS. eingetreten war er, die Elitetruppe des Führers, und gestrahlt hatten sie damals, als der Thyssen mit einem Ruck anderthalb Millionen Arbeiter auf die Straße warf und der Hitlerpartei mehrere Millionen Stimmen zutrieb, denn die hatten ja doch Frauen und Eltern. Es wollte ihm nicht in den Kopf und ging doch auch nicht wieder hinaus, daß auch die NSDAP. nichts als Stimmenfang betrieben hatte mit ihren Drucksachen, Plakaten und Redensarten, und daß bestenfalls der Führer, sobald er irgendwo den Rücken kehrte, über sein schönes, großes Ohr gehauen wurde, von den Bonzen, Patriziern und Großbesitzern, den Leuten nämlich, die auf den Aktienpaketen saßen und den Lohn drückten und dadurch die Nährquellen des Mittelstandes verstopften, des kleinen Mannes, dem doch so sehr geholfen werden sollte! Hatte er vorschnell das verblassende Bild des Großvaters aus dem hübschen Kerbschnittrahmen herausgenommen und das Adolf Hitlers hineingesteckt? Jetzt lag es in der Schublade, zusammen mit dem alten Plakat »Bin zurück in zehn Minuten«, auf das die Jungen der Wagnerstraße irgendeine freche Redensart gekritzelt hatten. (Jetzt kritzelten sie nicht mehr ...) Man konnte den Tausch ja wieder rückgängig machen, den Großvater an den Platz stellen, der ihm gebührte ... Ja, der alte Mann hat Bescheid gewußt! Nicht das Beil hatte die Käufer verscheucht,wie er, der Döskopp, gemeint. Das hatten Menschen besorgt, Leute von Fleisch und Blut, und Tratsch und Gerede. Nicht Radioaktivität. Und geschickt hatten die das eingerichtet, mit der mangelnden Hygiene ...
    Plötzlich gab es ihm einen Ruck, er setzte sich auf im Bett – sie schliefen längst nur noch mit Laken und einer Wolldecke – eine Fährte! Frau Timme hatte eine Photographie von ihm hinterlassen, die hier im Hof geknipst worden sein mußte und erst vor kurzem, und die hatte nichts von mangelnder Hygiene gesagt, die war wegen ihres Mannes gekommen, dem Albert den Kopf vor die Füße gelegt. Aus irgendeinem der Fenster, die auf unseren Hof hinausgingen, war er geknipst worden und das Bildchen der Kommunistin zugesteckt. Man mußte eine Untersuchung machen! Den Lieferwagen an die Stelle rücken, an der er ihn gereinigt, aus allen Fenstern die Aussicht kontrollieren, das Bild in der Hand! Mannschaft vom Sturm Preester mußte man hineinlassen, auch wenn sie nicht um vier Uhr morgens erscheint. Aber hier legte sich Albert nieder, drehte den Kopf auf dem Kissen hin und her. Diese Hunde, die ihm zweihundert Mark abgeknöpft hatten, sein schönes Schlafzimmer, seine Lebensfäden bis zum siebenten September anberaumt. Was sollten sie bei einer solchen Razzia erbeuten, womit könnte man sie ködern? Für einen Mann, der Streichhölzer sparen mußte – wo doch private Einund Übergriffe streng verboten waren vorderhand?
    Es war scheußlich, sich so schlaflos zu wälzen. Vorhin, während er seine Eingangstour schnarchte, hatte sich Stine offenbar auch gelegt, es war dunkel in der Wohnung und heiß. Aber sie schlief. Unter dem Schrank, rechts in der Ecke, raspelte eine Maus. Der stand schon lange auf seinem Platz, seit Vaters Zeiten; die Diele konnte dort recht gut durchgemorscht sein, man müßte ihn mal beiseiterücken. Für wen? Für welche Nachfolger?

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