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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Landser, seinen außerordentlichenTaten und Abenteuern. Solch einen Dschungel haben die nun aus unserem Deutschland gemacht, dachte er, Gefreiter Teetjen, Bürger Teetjen, hackt meinem Freunde Mengers das Hälslein durch, und ich sitze gemütlich mit ihm hier oben und schmeiße ihn nicht über Bord. Und war der ehemalige Timme nicht eine Hoffnung der Arbeiterschaft? Und drückte 1918 aus, was wir alle fühlten, Ende November, als Sieger Ludendorff und Papa Hindenburg alle Felle weggeschwommen waren. Und als 33 der Papen, der Schacht, der Kirdorff und Thyssen den Acheron bewegten und braunes Spülicht durch alle Straßen rann, und mein armer Bruder nach den Balearen flitzte und sich Alkaley nannte mit unserem alten Namen, da hielt Bürger Teetjen die Fahne hoch und die Augen stramm und gläubig auf seinen Adolf, den Blindenführer, und erschaute die Walhalla am Horizont. Unter anderen Umständen hätten wir mit Händel die Tochter Zions eingeladen, sich zu freuen, und Jerusalem, laut zu jauchzen. Wie die Dinge nun liegen, haben diese beiden Ortschaften ja wirklich Grund zu solchen Lebensäußerungen, sie kriegen eine Menge Tausendpfund-Einwanderer, und die Lords wahren das Gesicht und arbeiten am Bündnis mit unseren neuen Pgs. oder Pinguinen. Anno 18 zeigte Genosse Lenin, wie man die Nationalvermögen sozialisierte. Zum Ausgleich studieren die Geldsäcke jetzt, wie Benito Adolfo den Sozialismus nationalisiert. Alles hat seine Zeit, äußerte der Herr, der einmal das Mandatsland regierte, und außerdem schien ihm alles eitel. Ganze zweihundertzehn Mark braucht der Junge, der den Walter Mengers geköpft hat. Erbschaftssteuer, Reichsfluchtsteuer, Devisenordnung, Transfergesetze, und dennoch muß ich fast das Zwanzigfache davon auf meinem Konto stehen lassen, weiß der nicht vorhandene Gott, wieviel ich von außerhalb noch in Bewegung setzen, in Form von Waren zu mir herüberretten kann. Es ist wirklich wahnsinnig komisch, dem Mörder vom dreißigsten Juni gratuliert ein alter Gentleman schriftlich zum Geburtstag, aber Friedel Timmes Henker liegt wie Strandgut auf dem Trockenen und japst und ist ein Kamerad von anno 17, ein dummes Aas, und ich soll ihn wieder flott machen. Und ich, hinausgeschmissener Hamburger mit einem J im Paß, durchschaue den ganzen Kram, weichedem Unwetter aus, vermehre die Zahl der angefeindeten Jecken in »Erez Israel«, ziehe mein Scheckbuch und schmeiße den Fisch Teetjen wieder ins Wasser. Wie im Märchen vom Fischer und syner Fru. Denn wenn mein Bankier mir gefolgt ist, hat er für mich Pilsener Brauhausaktien in Amsterdam erworben oder wird es im geeigneten Moment tun, wenn sie billig auf der Straße liegen. In Deutschland aber werden sie wachsen, blühen und gedeihen, denn es gibt keinen Krieg, Montague Norman gibt kein Geld dafür, wie Madame Rothschild vor hundert Jahren gesagt haben soll. Und Prag kehrt in das Reich zurück, dem es niemals angehörte. Ja, ja, der Himmel zündet Lichterchen an, um mir das Schreiben zu erleichtern – solch ein Scheck ist doch eine Zauberei.
    Prasselnd schlug es irgendwo ein. Dr. Laberdan hätte gesagt, in den Kreuzungspunkt unterirdischer, negativ elektrischer Wasserläufe. Der Blitz stand, wie das Präparat blaßblau gefärbter und gelb gekreuzter Nervenstränge oder Adernbäume, auf der flachen Ebene der Dächerstadt Hamburg. Er erleuchtete die Flut, die drüben am Eingang des Afrikahafens gelblich am Kai emporschäumte. Er spiegelte sich in Stines brechenden Pupillen, gleichzeitig aber auf Albert Teetjens maskenhaftem Gesicht, der, an die Tischkante gepreßt, die Zigarre zwischen den Zähnen, die erregten Augen aufgerissen, dem unglaublichen Schauspiele zusah, welches nicht etwa Hamburg im Tornado, sondern dieser Dr. Kley bot, ein emigrierender Herr mit blaßblauen Augen und kahlem Kopf, einen Scheck auf zweihundertzehn Mark ausschreibend, mir nichts, dir nichts, unverständlich und wirklich, als hätte Adolf Hitler der Welt nicht verraten, was ein Jude eigentlich sei. Er, Albert Teetjen, hatte es geglaubt, wie man so Sachen hinnimmt ... Fast acht Monate hatte er sich jetzt abgezappelt, um Stine und sich aus der Falle zu hissen. Bis zum Halse war das Wasser gestiegen, bis zum Kinn – aber nun, nun brauchte er sich nicht mehr als blinder Passagier zu verdrücken, nun war ihm geholfen, das Schlimmste abgewendet. Dieses Scheckbuch war echt, die Hansa-Export-Bank, H. E. B., in der ganzen Welt bekannt, und die Unterschrift hier, die in seiner Hand, der

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