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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Gesicht, ihre Augen, deren Farbe ihm noch nie so grün vorgekommen. »Find’st du’s schön?« fragte er sie, »eigentlich?« Sie schüttelte den Kopf. »Frech«, sagte sie und wunderte sich, daß sie sitzen blieb. Das war doch Majestätsbeleidigung, hätte es früher geheißen. »Und woher weißt du das mit dem Krieg?« Der war doch gar nicht dabei, dachte sie, wie die fünf Geköpften den Heerwurm in den Ohlsdorfer Teich führten. »Das weiß doch jeder«, antwortete er gekränkt. »Dazu haben die geschwollenen Portemonnaies und die Generäle ja doch den ganzen Zauber aufgezogen mit dem heiligen Adolf, den niemand beleidigen, über den sich keiner lustig machen darf. Mal gibt’s Krieg und dann kracht’s.« Stine schrak auf, weil der Himmel zu diesem Ruf des Frechlings Amen zu sagen schien; ein Donner rollte aus den gelbgrauen Lüften. »Das hab ich geschrieben«, strahlte Tom, »aber du bist schuld dran. Du machst was aus mir, Stine. Und später setz ich deinen Namen drauf, Frau Stine Teetjen gewidmet. Und dann laß ich’s unter die Leute, aber natürlich erst, wenn die ganze Schweinerei zum Teufel gefahren ist, die Nazischeiße heißt. Was meinst du wohl, wieviel gesunde Jungs das wieder kosten wird, aber mich wird keine Mordkommission einschlucken, und was ich denke, bleibt zwischen meinen Ohren, bis die Zeit gekommen ist. Dann werden sie alle weg sein, die Timmes und Mengers und Schröder und Merzenich, dann werden bloß solche Tom Barfeys herumrudern wie ich. Aber unser Volk wird’s nicht besser verdient haben, und wenn der Himmel für den Hitler dreimal mit Ziegelsteinen schmeißt.« Und er drohte mit der Faust zu dem graugelben Gewölbe empor, ausdem es jetzt unheilvoll blitzte und krachte. (Es war einer von jenen Donnern, die auf der »Eleonora Kröger« die Deckoffiziere in Bewegung setzten.)
    Was ist denn mit mir, dachte Stine, da darf ich doch nicht bei sitzen. In den Tom ist doch ein Roter gefahren zum Bangewerden. »Tom«, damit raffte sie sich auf, »nu mach ich, daß ich runter komm, denn sonst werd ich klitschenaß und wie im Badeanzug.« – »Wäre schön«, rief er. »Aber das mit dem Feuermachen hast du mir nicht bestätigt – wie man’s anstellen könnte, daß das Holzwerk nicht ansengt und die Möbel doch draufgehen.« – »Müßtest die ganze Bude naßspritzen«, riet er ihr, ernsthaft nachdenkend. »Decke und Fußboden gründlich mit dem Schlauch was zu schlucken geben, und die Möbel mit Spiritus und nicht mit Petroleum anpinseln. Und Benzin in die Matratzen. Und die Fenster zu oder auf, je nachdem du willst, daß man’s schnell merkt oder langsam. Denn du möchtest sie doch bloß verderben, deine Möbel. Und da genügt schon eine Viertelstunde, und Lack und Firnis gehn heidi.« – »Danke«, rief sie, umschlang ihn, küßte ihn, lief davon, und noch ehe er sich besann, verschwand ihr rötliches Haar in der Luke.
    Stine sauste die Treppen förmlich hinunter. Im Hofe angelangt, machte sie »uff« und dachte, das war vielleicht ein Abschied! Halb erheitert, auf alle Fälle erleichtert. Was der Junge mit seinen Reimen riskierte – nicht auszudenken. Den Dr. Goebbels hatte er eine Hyäne genannt. Aus Stellingen erinnerte sich Stine, während sie ihre Wohnungstür öffnete, des schiefgebauten, schwarz gestreiften Viechs, das einem Hunde ähnlich war, aber doch wieder ganz unähnlich. Und woher er, der doch immer in seinem Dach saß, oben, auf die Idee kommen konnte, es gehe zum Kriege. Hätte ihr Albert das gedacht, das wäre verständlich gewesen. Aber so? Komisch. Wie gut, daß sie wieder ihre Wohnung um sich hatte, ihr Kästchen, ihre Höhle! Da ließ sie die Gespenster nicht herein, auch nicht Toms Verrücktheiten. Hier unten fing’s schon zu dunkeln an – man hätte Licht machen mögen, wär die Rechnung nicht gewesen, die ja schließlich jemand bezahlen mußte. Sie machte sich ein bißchen zurecht, sah im obersten Kommodenschubnach, wo ein Zettel an Albert lag, entworfen, noch nicht abgeschrieben, jener Wunsch für den Fall, daß ihr etwas zustieße. Und sie beschloß gerade sich umzuziehen, wieder eine Frau aus sich zu machen, als es klingelte. Sie rief herein, aber schon öffnete sich die Tür vom Hausgang her, und ins Zimmer traten, gekleidet in Regenmäntel mit Kapuzen, Frau Lehmke und Dörte. »Wirst mir’s nicht übelnehmen, Stine«, begann die Wirtin. »Wir sind in Eile, gleich gibt’s ein Gewitter, dein Albert ist hoffentlich nicht unterwegs.« – »Nein«, sagte

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