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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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zitternden, trocknete, Fr. Wilhelm Kley, gut für das Zehn-, das Zwanzigfache, wieAhlsen es ihm vorausgesagt. »Kamerad«, sagte Teetjen heiser, »wenn ich Ihnen das je vergesse! Es kommt schon nochmal der Tag, wo ich’s wettmachen kann.« Und er preßte den linken Handrücken einen Moment gegen die Wimpern und reichte Dr. Kley die Rechte über den zum Glück festgeschraubten Tisch – eben begannen die Maschinen gegen den Flutstrom zu arbeiten, und das gab einen Ruck. Wilhelm Kley bedachte sich den Bruchteil einer Sekunde, dann lachte er und legte seine schmale Hand in die kräftige und haarige, welche seinen Freund Mengers geköpft hatte. Blut ist billig, dachte er, es wird auf die Erde gegossen.
    Von diesem Augenblick an ließ sich Albert Teetjen nur noch mit Gewalt auf der »Eleonora Kröger« zurückhalten. »Nischt wie weg«, rief er immer wieder. »Abfahrt zu meiner Stine. Mensch, wird die sich freuen.« Dennoch mußte das Gewitter erst verrollen, der peitschende Hagel aufhören, blasse Fetzen Blaus und rote Sonnenuntergangsbänder an den Wolkenrändern erscheinen, bevor die ersten Passagiertrupps von Motorbooten und später den grünen Fährdampfern zum Fallreep der »Eleonora Kröger« herangebracht wurden. Von einem der ersten ließ sich Albert mit zurücknehmen. Seinen Scheck in einem Kuvert verwahrend, das die Amsterdamer Adresse, die vorläufige, seines neuen Freundes enthielt. An den Landungsbrücken würde er sich ein Auto nehmen, heute war Feiertag.

Zweites Kapitel
»Dein Reich komme ...«
    Unsere Freundin Stine derweil stand schlank und zierlich auf dem gepflasterten Grund und Boden des Hofes, dieses Brunnenschachtes aus Mauerwerk, schaute zum Himmel empor und wiegte besorgt ihren Kopf mit den schweren Haaren auf dem dünnen, gebrechlich anmutenden Hälschen. Sie hatte ihren Albert tüchtig darin bestärkt, den Schwager Ahlsen nicht abfahren zu lassen, ohne ihm ins Gewissen zu reden. »Wirst sehen, er meldet sich nicht, schreibt uns ’ne Karte aus Bremen oder Rotterdam, wie leid es ihm getan habe, und daß er nach der Rückkehrund so weiter.« Und Albert hatte zugestimmt: vielleicht hatte er schon damals gewußt, als er sich die dreiunddreißig Mark pumpte, daß er sie nicht würde zurückzahlen können; die Leute, selbst die früher anständigen, benahmen sich jetzt ja so. Heut, angesichts des sonderbaren Himmels, tat es ihr leid, ihn hinausgeschickt zu haben in das unübersichtliche Gewirr von Wassern, gemauerten Kais, Straßen, Inselplätzen und Landungsbrücken, das die Hamburger ihren Hafen nannten. Weit draußen, jenseits der Neuen Elbbrücke, sollte die »Eleonora Kröger« ankern, im Südwesthafen, am Afrika-Kai oder Afrika-Höft, irgendwo dort noch hinter dem Segelschiffhafen, wo es vielleicht jetzt schon nicht schlecht nach Sturm roch. Hier unten konnte man es schwer aushalten, und sie hatte ja ohnehin vor, dem Tom Brief und Liste für die Else hinaufzutragen. Obwohl heute kaum Aufwind zu fürchten war, zog sie sich doch ihren Overall an, den blaugrau verwaschenen des Lehrburschen Willi, schloß die Tür von außen, Albert hatte seinen eigenen Schlüssel mit, und huschte die Treppen empor. Schon am Fuße der Dachleiter hörte sie das hohle Pfeifen und Brausen der Windstöße über den Dächern.
    Tom Barfey empfing sie mit Jubel. Er schob die Bogen gummierten Papiers beiseite, auf denen er mit seiner klassischen Schönschrift Hunderte von Adressen aus alten Mitgliederlisten ausschrieb – Aufforderungen, dem NS.-Beerdigungsverein Volkswohl beizutreten, welche an die ehemaligen Mitglieder des Freidenkerbeerdigungsvereins »Freidank« gerichtet wurden, auf Briefumschlägen eben dieses einstigen sozialdemokratischen Vereins, dessen Vermögen und Besitz die NSDAP. fünf Jahre zuvor beschlagnahmt hatte. Daß die damals Bestohlenen heute aufgerufen wurden, zum gleichen Zweck von neuem beizusteuern, war die kühne Erfindung des Herrn Johannes Wolgast und seines Freundes Reitlin. »Stine«, rief Tom, »hörst du das? Paß auf, es gibt großes Theater.« Und er ruderte auf seinem »Roller« aus dem stickigen, überheißen Dachzimmer auf die Plattform des Vorplatzes hinaus, nachdem er seine Papiere mit einem verbogenen Stück Stabeisen und zwei großen Muscheln beschwert hatte, braun und milchig gefleckten Tigermuscheln der Südsee, die er der Olga verdankte. Stine erschrak. Das heulte und kochte ja bösartig hieroben, und die Wolken flogen, dunstgraue Fetzen, man hätte vermeint, sie mit

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