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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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hast, ich bin mit Annette Koldewey zur Blumenschau verabredet, eine kleine Vorbesichtigung, sie nimmt dich sicher gern mit hinein.« – Bert Boje zog die Brauen hoch: »Das wird nicht gehen, leider. Eben fällt mir ein, ich muß ja noch vor eins Bücher zurückgeben, die ich mir aus der städtischen Bibliothek in Altona gepumpt. Ein andermal gern und hinbringen – das liegt auf dem Wege.« Käte Neumeier vermerkte bei sich, während sie die Treppe hinabstiegen, daß das zwar nicht auf dem Wege liege, daß der Bert aber das Zusammensein mit Annette zu meiden schien – obwohl sie ihm durchaus nicht etwa mißfiel, wie Käte bemerkt zu haben glaubte. Ganz im Gegenteil. Aber da er vielleicht wußte, daß sie in festen Händen war, wie die jungen Leute früher sagten ... und ihm das vielleicht weh tat ... »Wie du es einrichten kannst, mein Lieber«, beendete sie diesen Teil der Unterhaltung. »Wir müssen uns am nächsten Sonntag schadlos halten, du und ich.« Und auf dem Wege ließ sie sich mehr von der großen Angelegenheit erzählen, als welche dieses Projekt des Führers unter den jungen Leuten des Tiefbauwesens figurierte. Ob Adolf Hitler diesesmal seinenWillen durchsetzen würde? Wahrscheinlich mußte sich ihm auch die Bodenbeschaffenheit fügen, wie das deutsche Volk es tat, ganz Europa, die ganze »Jetztzeit«. Gegen ein Genie ist kein Kraut gewachsen.
    Der Name Koldewey wirkte wie ein Paßwort, als sie an die verschlossenen Glastüren pochten, hinter denen eifriges Kommen und Gehen hörbar war, das Rücken von Tischen, das Abstellen von Lasten. Annette, reizend auch in ihrem Straßenanzug, Rock und Jacke, hellgraues Tuch aus der Werkstatt eines Herrenschneiders, den grauen Filzhut, einen modischen Kegelstumpf, auf den Locken, begrüßte einen Herrn, der viele Papiere, Listen in der Hand hielt, nickte dem Gärtnergehilfen zu, erwies sich als ein umsichtiger Führer. Astern und Dahlien würden die Überraschung der Ausstellung bilden. Was die Züchter aus diesen einst so durchschnittlichen Gewächsen zu entwickeln verstanden an Farben, Mischungen und Formen, grenzte an Wunder. Die stolze Georgine war ziemlich in den Hintergrund gedrängt worden, nur die Chrysantheme behauptete ihren königlichen Vorrang, auch war die Abteilung Chrysanthemen schon am weitesten vorgerückt. »Die laß mich sehen«, bat Käte Neumeier, die sich inmitten des Unfertigen behaglich fühlte. Ihr Blick blieb im Vorübergehen an den gelben und violetten Astern haften, die in Töpfen, zu Beeten zusammengefaßt, rechts und links des Durchgangs prangten. Hier fand sie ja für ein gewisses Grab reiche Auswahl. »Vielleicht tust du mir den Gefallen und nimmst gelegentlich einen dieser Töpfe mit hinaus – wenn sie für mein Budget erschwinglich sind«, sagte sie beiläufig, »nach Ohlsdorf, für die Lene Prestow. Du weißt schon, was ich will.« – »Erledigt«, nickte Annette. »Thyra kriegt Rabatt, es wird den Kopf nicht kosten.« – Und dann setzte sie ihre schön geformten Zähne auf die Unterlippe: sie hätte nicht just dieses Wort wählen sollen.
    Die Chrysanthemenschau zeigte sich wirklich der Worte eines Dichters würdig, wie am Eröffnungstag der Vertreter des Berliner Propagandaministeriums ausrief. Auf hohen, festen Stengeln, im Schmucke ihrer graugrünen, gelappten und gefiederten Blätter prangten, stufenförmig aufgestellt, die großen Blumentöpfe und Kronen, köstlich abgetönt und mit vollendetem Geschmackgruppiert. Die weißen, mit den gerollten Blumenblättern in Tuffs von unwahrscheinlicher Größe, weckten Ausblicke schon auf Schnee und Winter; die kleinköpfigen, flieder- und veilchenfarbigen, schienen sich vom Sommer nicht trennen zu wollen; rieb man ihr Laub, dann roch es nach Minze. Unter den gelben, fast honigfarbenen, hätte sich Annette gern niedergelassen, wäre da irgendein Bänkchen gewesen; so reich schienen sie ihr zu den Jahren zu stimmen, die sie selber verkörperte, unermüdlich auf der Grenze zwischen Jugend und Reife. Käte Neumeier hingegen bekannte sich als Anhängerin der doppelfarbigen, deren geschlitzte Pelzmützen, aus rotbraunen und gelbbraunen Fäden gemischt, wie der Helmbusch phantastischer Grenadiere, einen leisen Kamillengeruch ausströmten, wenn man dicht an sie herantrat. Die standen, wie sie sich ausdrückte, hüben und drüben, besonders anziehend für den erfahrenen Mann, noch straff, aber schon reif. »Erstaunlich, was sie aus den Herbstfarben gezaubert haben, aus braun und gelb«,

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