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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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seine Ansprüche. Zwei Wege schienen gangbar. Entweder wurde er mit seiner Flotte vorteilhaft aufgesogen von der Reichsbetriebsstoff AG., die immer mehr von der Brennstoffbewirtschaftung des Staates übernahm, oder er selber etablierte sich als Kern einer Transport AG., die es erst zu etwas brachte, bevor sie als ansehnlicher Teil in einem größeren Ganzen aufging. Die jüdische Reederei »Thetis« mußte ihre Fahrten einstellen. Ihre drei Tanker sollten von der Reichsmarine geschluckt werden, wenn über sie nicht anders entschieden wurde. Drei manierliche Schiffe. Sollte Herr Footh dem Reichstatthalter vortragen, sie im Interesse der Seeleute, der Parteigenossen, lieber in Privathand zu belassen, in seiner, Herrn Fooths Hand? Das Reich aber durch entsprechende Summen aus den Fonds der Arbeitsfront zu entschädigen? Konzernbildung war die Parole. Als das unabänderliche Parteiprogramm die Zerschlagung der Trusts an die Wand malte, steckte die NSDAP., wie man so sagte, noch in den Kinderschuhen. Wer Verstand besaß, nahm ihr das nicht übel. Erst wenn sie daran kleben geblieben wäre, der Wirklichkeit des Lebens nicht Rechnung tragend, hätten solche Anklagen Gewicht gehabt. Man hatte rationell zu sein, der Sache zu dienen, sich selbst dabei am Feuerchen zu wärmen, auf daß man leistungsfähig blieb.
    Herr Footh hätte sich gern mit jemandem über jenes Entweder-Oder ausgesprochen. Aber Annette war für derartige Fragen nicht zuständig. Ihr Reich lag jenseits der Geschäfte, in den angenehmenGefilden, die man, weiß Gott, auch Wirklichkeit nennen durfte. Aber um diese zweite Wirklichkeit zu genießen, mußte man der ersten ihr Recht einräumen. Wer mit ihr fertig wurde, durfte seine Nase nicht minder hoch tragen als die Priester der Kulturregion, wie Annette, ihr hochmütiger Papa oder jene Käte Neumeier, die ihren Briefumschlag zurückhaben wollte, weiß Gott weshalb. Es gehörte sich wohl, ein paar Zeilen dazu zu schreiben. Er bat durchs Telephon Fräulein Blüthe zu sich.
    Anneliese kam mit einem gewissen Schwung herein – einem freudigen Schwung, den sie vergeblich suchte zu bemeistern. Ihr hübsches Näschen, ihre blanken Augen, das blonde Wuschelhaar erweckten in Herrn Footh angenehme Empfindungen. Die Kleine war sicher nicht dumm. Warum sollte er ihr nicht die Frage vorlegen, mit der er sich selber abplagte. »Ein paar Zeilen an Frau Dr. Neumeier, Wandsbeker Chaussee 2.« – Wohlgefällig beobachtete er die knappen und geschmeidigen Bewegungen, mit denen sie den kleineren seiner Briefbogen und das für den Durchschlag Notwendige in die Maschine zog, und so schnell wie er sprach, ein Begleitbriefchen entstehen ließ. Er beeile sich, so lautete er, anbei den Briefumschlag zurückzureichen, der dem Staate so wertvolle Dienste geleistet habe, und ihr dafür zu danken. »Ergebenst Ihr ...« Dann tippte sie ein Geschäftskuvert, tat das Ganze in die Unterschriftsmappe, wie sie es gewohnt war, legte sie aufgeschlagen vor seinen Stuhl. Inzwischen klingelte das Telephon, Anfragen liefen ein, wann mit der Ankunft von Schmieröl zu rechnen sei, und Mitteilungen über die Fassungskraft eines neuen, unterirdischen Treibstoffreservoirs an der Unterelbe, dessen Fertigstellung von der geplanten Elbhochbrücke völlig unbeeinflußt bleiben würde. Was für schlanke, schmale Hüften die Kleine hatte. Footh legte den Hörer wieder in die Gabel, unterschrieb seinen Brief, bat Fräulein Blüthe, einen Augenblick Platz zu nehmen. Er deutete dabei auf die Ecke des Schreibtisches, und sie genierte sich nicht. Ihr kurzer Rock gab ein ausdrucksvolles Knie frei, sie legte die gefalteten Hände darüber. Sie sei doch lange genug im Betrieb, sagte Herr Footh, um seine Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Er seinerseits wollte in einer bestimmten Frage zur Klarheit kommen, ob sie ihm dabei helfen könne? Sie wolleihren Grips nach Kräften anstrengen, versprach sie, mit einem geschwinden Schlag ihrer langen Wimpern. Öl, sagte er, das wisse sie doch, sei nicht nur das Um und Auf der Wirtschaft, sondern noch viel mehr der modernen Kriegsführung. »Weiß ich«, antwortete sie, »mein Bruder dient bei den neunten Panzern.« – »Oh«, rief er, »hohe Verbindungen. Ich war damals einfacher Fußinfanterist.« – »Dafür sind Sie jetzt Petroleum-Admiral, Herr Footh«, erwiderte sie, »und führen eine Standarte des NSKK.« – »Aber man’n sehr lüttje«, gab er behaglich zurück, verließ seinen Stuhl, setzte sich selbst auch auf

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