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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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falsch, ungerecht, kümmerlich, daß sich ihr Haß so sinnlos wild auf die Gestalt des Henkers zusammendrängte, seinen Schnurrbart, Mund, vorgestemmtes Kinn. Vielleicht spielte auch nur Erinnerungstäuschung mit, fausse reconnaissance, daß sie glaubte, dieses Gesichtsteilchen schon mal gesehen zu haben, mehr als einmal, unbedingt. Ein Patient? Einer aus den Krankenkassen, die sie mit Heilkunst belieferte? Einerlei. Er hatte zugeschlagen, Geld dafür genommen. Es sollte ihm nicht vergessen werden. Hamburg war nicht die Welt, man ging hier nicht verloren. Mal bei Annette vorfühlen, wie der Footh zu diesem Mann gekommen. Ah ja, das tat gut. Die Lene Prestow hat Charakter bewiesen, Friedel Timmes Billigung genossen, seine Zustimmung. Baldest, in seinem Namen, einen Asterntopf auf ihr Grab bringen, zu Allerseelen eine Kerze daraufpflanzen wie bei den Katholiken. Dann brannte es wie ein Lichtchen, das unbeachtet in einem Zimmer flackert und das einen doch tief erfreut, wenn man unverhofft die Tür öffnet. Dieses Licht sah sie, eher einen langen Kerzenstumpf, auf Friedels Tisch brennen, in seinerFuhlsbüttler Zelle. Sie stand leer, die Tür offen, durchs Fenster wehte Zugluft, das Stearin tropfte in Wülsten, aber es nahm nicht ab. Gott weiß, woher es sich erneuert, dachte Käte, dieses Licht in Deutschland, wir haben doch so gut abgedunkelt. Es flackert, weht schräg, brennt ganz klein, geht aus, geht doch nicht aus. Gott weiß, wie es das anstellt. Aber vielleicht auch weiß er es nicht, man muß Herrn Koldewey fragen, der auf dem Gebirge Ararat sitzt, in beiden Händen Marionettenschnüre, an denen er Püppchen tanzen läßt. Er entpuppte sich ja als der Onkel Peerenboom, den Theodor Storm geschildert hatte, oder war es Claus Groth? Pole Popenspäler? Jantje Claas, Jantje Claas hörte sie es rufen, den die Süddeutschen Kasperl nennen. Und dann brannte das Licht sehr klein, es war schummrig in der Zelle, und ihr Bewohner ausgegangen, im Sarge ist’s zappenduster, aber wir lassen euch nicht im Stich, Friedel, Schröder, Merzenich. Und indes sie einen Vers auf den Namen Mengers suchte, schlief sie endlich ein.

Fünftes Kapitel
Unter Blumen
    Annette sorgte dafür, daß Käte Neumeier den Kopfabhacker nicht vergaß. Sie rief am nächsten Tage an, voll Reue des schauerlichen Eindrucks wegen, den sie ihnen beiden zugefügt. Man mußte ihn baldmöglichst durch einen hübscheren ersetzen. Übermorgen wurde im Alsterpavillon eine große Herbstblumenschau eröffnet zugunsten von Verstümmelten und Hinterbliebenen aus jenem Weltkrieg, in den uns die raffinierten Zettelungen des Präsidenten Wilson verwickelt hatten – wie die »Hamburger Nachrichten« ihre Leser belehrten. »Damals Wilson, jetzt Rosenfeld – Roosevelt«, leitartikelten sie; aber die Herbstblumenschau sollte dennoch sehr schön werden. Da ihre beiden Schwestern als freiwillige Helferinnen dort Dienst taten, hatte auch sie, Annette, freien Zutritt zu dem unfertigen und noch nicht eröffneten Unternehmen. Sie wollte Käte in den Mittagsstunden abholen und wieder zurückbringen. Wenn die Sonne schien, saß es sich gut am Wasser. Für zehn Pfennig kaufte man einem Invaliden eineTüte mit Fischchen ab, die man an ihren Schwänzen packte und den Möwen hinwirbelte, die sie aus der Luft fingen – Spaß, sportliche Freude und Wohltätigkeit den Tieren gegenüber in einem. Und für die Blumen und Tiere hat man doch endlich Sinn, selbst im amtlichen Deutschland. »Um halb eins also. Ich bringe einen kleinen Lunch mit – Stullen, wie der Berliner sagt.«
    Käte Neumeier ertappte sich wiederum beim Kopfschütteln – ganz kurz, keine halbe Sekunde, während sie den Hörer in die Gabel legte. Was war eigentlich mit ihr los? Hörte sie in Annettes freundschaftliches Geplauder Doppeldeutigkeit hinein, Ironie, Anklage? Oder war auch ihre Seele mit Bitterkeit getränkt, ihre Zweideutigkeit beabsichtigt? Das Dritte Reich hatte sich seiner Härte gegen Falschdenker nie geschämt, sogar gerühmt und sich nie gescheut, dennoch Natur und Tiere stets und ausdrücklich zu schützen, als könnte niemand daraus falsche Folgerungen ziehen. Auch Käte Neumeier hatte bisher an solchen Gegensätzen keinen Anstoß genommen. »Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch« – stammte das nicht von C. F. Meyer, stand es nicht in seinem »Hutten«? Zeiten der Umordnung mußten sich in Härten vieler Art schicken; gegen das Bleibende, innerlich Beständige, gegen Pflanze und Tier aber

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