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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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seinen Kameraden vom SS.-Sturm Preester Steuern zu zahlen von dem Verdienst des vierzehnten September. So angenehm war der »job« nicht gewesen, obwohl die Leute aus Magdeburg ihre Mitwirkung Ruck Zuck, Mann über den Block – nun Messer, Beil durch den Wirbel, tadellos befummelt hatten. In Hamburg nämlich durfte man es sich leisten, Anordnungen nicht zu befolgen, die für Preußen galten, auch wenn sie von Hermann Göring selber stammten. Ein Amateur kann nicht in vierzehn Tagen die Kunst erlernen, die der Reichsjägermeister erwartete, nämlich den Delinquenten durch die Kehle zu hauen. In Hamburg hielt man auf Tradition, und was für Klaus Störtebecker und seine Liekendeeler recht gewesen, mußte auch für die Täter im Reeperbahnprozeß zureichen. Aber auch so noch hatte der Vorgang für Albert Teetjens Nerven genügt. Später einmal konnte man sich seiner Leistung rühmen, soweit die Presse davon berichten durfte. Dann, in ein paar Monaten, ließ sich bei Gelegenheit ein Streifchen Zeitung aus der Brieftasche ziehen und den Kameraden hinhalten: »Das war nämlich ich, der es den roten Hunden damals besorgt hat.« Vorläufig begnügte man sich damit, bei Lehmke seinen Schoppen Bier zu trinken, in den stillen Stunden zwischen neun und zehn des Morgens, und das »Hamburger Tageblatt« durchzustöbern, aufmerksamer als sonst. Aber es enthielt nichts über jenen Vorgang, keine Zeile. Das war Albert Teetjen in gewissem Sinne angenehm, im ganzen aber ärgerlich. Einerseits hätten sich wahrscheinlich Reporter an das Ausforschen des Henkers mit der Maske gemacht, wenn Zeitungsleute zugelassen worden wären, und bei den Vorurteilen, mit denen man zu rechnen hatte, hätten sich gelegentlich Störungen ergeben. Andererseits aber stand man gern in der Zeitung, dem Verdienste seine Krone, niemand konnte wissen, wozu ein solch gedruckter Beweis vaterländischer Pflichterfüllung einmal diente. Nun, darauf mußte Teetjen vorläufig verzichten. Auf alle Fälle gab es ja Eingeweihte, die ihm mit ihrem Zeugnis beispringen konnten, wenn Not am Manne war, zum Beispiel und vor allem Kamerad Footh.
    Die größte Versuchung, deren er sich zu erwehren hatte, entsprang aus einem gesteigerten Selbstgefühl. Sollte er sich nicht endlich einen Gehilfen anschaffen, der ihm die gröbsten Hantierungen seines Gewerbes abnahm? Soweit sie nicht von den Angestellten der Schlachthöfe besorgt wurden, vollzog sie Albert Teetjen selbst in der ehemaligen Waschküche, die er dem Wirt abgemietet hatte, weil sie unmittelbar neben seiner Wohnung lag, in ein paar Schritten durch den Hof zu erreichen. (Für die Wäsche waschenden Frauen war damals ein hellerer und geeigneterer Raum, eine ehemalige Wagenremise, bereitgestellt worden.) Ein paar Tage lang schien es Albert jetzt unwürdig, mit der blutbefleckten Schürze selber dazustehen und ein halbes Schwein oder einen Hammel zu zerlegen, nachdem er doch gerade wie auf einer Bühne seine Pflicht getan hatte. Aber eine kurze Rechnerei, mit Bleistift auf dem Rücken eines Bestellscheins vollzogen, warnte ihn vor übereilten Vergrößerungen. Wohl, er konnte jetzt Kapital in sein Geschäft stecken. Es ging auf den Winter, die Leute würden mehr Fleisch selbst in das Eintopfgericht tun, das wöchentlich und pflichtgemäß den Hausfrauen Gelegenheit gab, Reste zu verarbeiten. Die Bauern ließen ihre Schweine schlachten, an Luthers Geburtstag empfahl man die Martinsgans, und dies alles durch Anzeigen in der Zeitung. Inserieren kostete Geld, aber es brachte auch welches. Ferner tat ein mit Blumen geschmücktes Schaufenster gute Dienste, worauf sich Stine besonders verstand; die Herbstausstellung im Alsterpavillon würde, wenn sie erst einmal vorüber war, Astern und Chrysanthemen billig anbieten, und solche Töpfe, rechts und links von einem in Pappmaché ausgeführten Schweinskopf, der in einer pappenen Schüssel eine pappene Zitrone in der Schnauze hielt – solcher natürlicher Blumenschmuck hielt sich lange und lud zum Betreten des Ladens ein. Appetitlichkeit tat vieles, um den Menschen zum Besuch der Lebensmittelabteilungen in den verdammten Warenhäusern anzureizen. Gott strafe sie! Im Weltkrieg hatte es Leute gegeben, die ihre Briefe und Rechnungen mit Hilfe eines Gummistempels durch den Schlachtruf »Gott strafe England« eindringlicher machten. Albert Teetjen überlegte in diesen Tagen, ob er nicht bei seiner Innung die Anschaffung eines solchen Stempels anregen sollte:Meidet die Warenhäuser! Die

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