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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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sagen, ob sich viele solche Teetjens in den Reihen des deutschen Volkes befanden. Unter siebzig Millionen mußte es schon nach rein statistischen Grundsätzen Tausende von Spielarten menschlichen Verhaltens geben und von jeder Tausende von Vertretern. Gleichwohl hatte sie die Pflicht, diesen hier, diesen einen, unschädlich zu machen. Hatte Friedel Timme andere Vorstellungen von Deutschlands Wohl und Zukunft in seinem Kopfe gehegt, so war das seine Sache. Noch lange kein Grund, ihm diesen Kopf vor die Füße zu legen. Womöglich mit einem Schlächterbeil, das für das Zurechthauen von Koteletts und Markknochen weiter benutzt wurde. Dem konnte man ja einen Riegel vorschieben. Gesundheitspflege stand hoch in Ehren, hygienische Bedenken durfte jedermann, jede Frau geltend machen. Niemand brauchte so töricht daherzureden, einen Volksgenossen in Verruf zu bringen, einer lobenswürdigen Pflichterfüllung wegen. Aber Hygiene blieb Hygiene, und war das Beil desinfiziert worden, so schmeckte die Suppe womöglich nach Karbol. Eine Waschfrau wie die Geesche Barfey ließ Reden solcher Art leicht einmal hier, einmal da fallen, ohne daß man sie reichsfeindlicher Ausstreuungen beschuldigen konnte. Nicht einmal verdächtigen. Der Widerwille, der Ekel:gegen solche Bundesgenossen ließ sich schwer ankämpfen. Niemand konnte die Leute zwingen, ihren Bedarf, den ohnehin eingeschränkten, gerade bei Albert Teetjen, Schlächtermeister, zu decken. In der Wandsbeker Chaussee, fünf, sechs, sieben Minuten Elektrische, hielt die Filiale der Ehape Nahrungsmittel feil, Würste und Schinken, Schaf- und Rindfleisch, und blinkte vor Hygiene. Gott sei Dank, Hamburg war Großstadt. Hatte die Hausfrau rechtzeitig ihre Besorgungen im Kopf, so verband sie sie mit einem Spaziergang und sparte noch Zeit damit. Denn sie bekam im gleichen Raum oder Stockwerk auch noch Butter und Käse, Radieschen und Tomaten, Kartoffeln, Haferflocken und Suppenkräuter, Reis und Zucker. Natürlich blieb es eine verantwortungsvolle Geschichte, das Gerede der Leute loszulassen. Tom Barfey das Zeichen zu geben, nach dem er lechzte. Er würde dann vor der hübschen, kleinen Frau nicht haltmachen, Christine Teetjen oder so. Aber hieß das nicht, die Dinge zu genau betrachten? Wer zwang Käte Neumeier so weit zu denken, sich ins Geflecht von Ursachen und Wirkungen einzuschalten, einzumischen? Man mußte die Fähigkeit haben, von allen Lebewesen etwas zu lernen – sich zum Beispiel verhalten wie ein Hund, der sich schüttelt und damit alles Unangenehme hinter sich bringt – ja, jetzt machte der Laberdan eine Pause, und Käte Neumeier konnte nachsehen, ob der Bert nachgekommen war, wie er versprochen. Den plagte so mancherlei, auch die jungen Leute hatten es nicht leicht im Dritten Reiche des wiedergeborenen Erlösers.
    Helleres Licht war aufgeflammt, in den Kassetten der Decke brannten Lampen wie Sterne, Käte Neumeier, vom Sitzen steif, spannte und lockerte einige Muskeln. Die Beobachtung »helleres Licht« war ihr gleichbedeutend mit dem Gedanken an den Dr. Koldewey. Ihn hätte sie hier haben mögen, um den Laberdanschen Salat mit Essig und Öl genießbar zu machen. Waren ja ohnehin stets bei den Mahlzeiten zusammen, er und sie, wie Eheleute. Hatte dieser Herr für andere Werte einer Ehefrau überhaupt noch Verwendung? Klares Denken und sanfte Gemütsart und als Summe mehrerer Geschlechter – warum erschien ihr das eigentlich im Bilde des Koldeweyschen Salatbehörs? Kristallflaschen insilbernen Fassungen und Pfeffer und Salz in ebensolchen Streubüchsen? Sie amüsierte sich über diese Einfälle, spann sie aus. Wenn sie da Hausfrau wäre, ließe sie auf den Salzstreuer den Namen Friedrich, auf die Pfefferbüchse aber Nietzsche gravieren, um so den ganzen Heinrich Koldewey beisammen zu haben. Von solchen Späßen innerlich erwärmt, schlenderte sie zu den Eingangstüren, den hinteren Reihen, wo sich Zuspätkommer wahrscheinlich untergebracht hatten.
    Sie suchte ihren Neffen Bert, der sie hierher bestellt hatte – ohne diesen Anruf hätte sie sich wahrscheinlich doch nicht entschlossen, dem Kollegen Laberdan den Abend zu widmen. Freilich gab sie sich zu, sie sei von zu Hause auch weggegangen, um der quälenden Frage zu entrinnen, wann und wie sie, vor allem aber ob sie auf die Entdeckung des Henkers von Fuhlsbüttel reagieren sollte. Sie sah den armen Tom Barfey wie einen Schweißhund auf der Fährte, der wild an seiner Leine zerrte; ließ sie ihn los, so schoß er

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