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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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in die Kissen. »Täusche ich mich, oder wart Ihr diejenige, die als Einzige gewusst hat, wessen ich so dringend bedurfte? Was war mit dir?« Vorwurfsvoll sah er seinen Sohn an. »Wie ein törichter Esel hast du dir nicht zu helfen gewusst. Was hast du nur in all den Jahren an den Universitäten gelernt? Eine kleine Wundärztin muss dir also zeigen, was nottut, wenn einer nach Atem ringt und sein Herz ihm zum Hals heraus pocht?« Wütend schnaufte er auf.
    »Ruhig«, mahnte Carlotta und legte ihm die Hand auf den Arm. »Wenn Ihr Euch aufregt, erleidet Ihr gleich den nächsten Anfall. Ich weiß nicht, ob Euch dann noch einmal ein Becher Eiswasser hilft, um zur Besinnung zu kommen.«
    Verärgert wollte Kepler ihre Hand abschütteln. Die hilflose Lage behagte ihm nicht. Sie aber drückte ihn gegen seinen Willen sanft und doch bestimmt auf das Lager zurück.
    »Hört auf, mit Eurem Sohn zu zürnen. Er hat nur getan, was Ihr ihn geheißen habt: an den berühmtesten Universitäten den besten Medici zu lauschen. Wie Ihr aus eigenem Studium wisst, hat das wenig damit zu tun, was im Notfall am Kranken zu leisten ist. Die meisten Patienten, die in der Universität untersucht werden, liegen bereits tot auf dem Tisch vor den Studenten.«
    Sie lächelte aufmunternd. Christoph dagegen scharrte mit den Füßen über die Holzdielen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Vater, ich weiß nicht …«, hub er an, sich zu rechtfertigen.
    »Still«, herrschte Kepler ihn an. »Du machst es nur noch schlimmer. Sogar verteidigen kann die kleine Grohnert dich besser als du dich selbst.«
    »Streitet Euch nicht, meine Herren«, ging Carlotta abermals dazwischen. »Es freut mich zu sehen, dass Ihr wieder bei Kräften seid, verehrter Kepler. Schont Euch dennoch eine Weile. Jede Aufregung ist das reinste Gift für Euch.«
    Sie erhob sich, strich den Rock glatt und knickste vor dem alten Kepler. »Wenn Ihr erlaubt, so gebe ich Euch einige Tropfen mit, die meine Mutter für solche Fälle empfiehlt. Nehmt einige Tage lang regelmäßig davon ein, und Eure Beschwerden werden spürbar nachlassen.«
    Noch ehe der Alte etwas sagen konnte, fasste sie Christoph am Arm und zwang ihn, mit ins Laboratorium zu gehen.
    »Er braucht völlige Ruhe«, zischte sie ihn an. »Jeder neue Wutanfall ist ein Nagel mehr an seinem Sarg. Versprich mir, dafür zu sorgen, dass er einige Tage lang zu Hause bleibt und sich ruhig verhält. Am besten ist, wenn er für eine Weile das Bett hütet, um wieder ganz zu Kräften zu kommen. Nur dann wird er den Winter gut überstehen und dem Kurfürsten weiterhin als Leibarzt dienen können.«
    »Warum tust du das?«, war alles, was Christoph zu erwidern wusste. »Schließlich beschimpft er dich und lässt kein gutes Haar an deiner Mutter. Ganz zu schweigen von seinem ewigen Sermon wider die Wundarztkunst und von der Dreistigkeit, Heydrich womöglich für die Salbe deiner Mutter auszuzeichnen. Du hilfst ihm trotz alledem noch. Fast könnte man meinen, du behandelst ihn, als wäre er dein eigener Vater.«
    Bei seinen letzten Worten senkte Carlotta den Kopf. Ein Zittern erfasste sie. Sie tastete nach dem Bernstein auf ihrer Brust. Sobald sie den vertrauten Stein zwischen den Fingern spürte, wurde sie ruhiger. »Was ist so schlecht daran? Als Arzt sollte man stets so handeln, als hätte man den eigenen Vater vor sich.«
    Mit Schrecken sah sie die Verständnislosigkeit auf seinem Antlitz. Er bemerkte ihre Verwirrung. Gleich setzte er sein bewährtes Lächeln auf.
    »Nicht nur den eigenen Vater.« Sein Schmunzeln wurde breiter. »Manchmal soll es sogar vorkommen, dass auch die Mutter krank wird. So stark ihr Frauen seid, meine liebe Carlotta, aber davor seid selbst ihr nicht gefeit.«
    »Ich wusste es«, entgegnete sie erschöpft. »Du machst aus allem einen Spaß.«
    »Genau deshalb magst du mich doch, oder?«
    14
    D ie Aufregung um den Gesundheitszustand des ehrwürdigen Altstädter Physicus war enorm. Unter großer Anteilnahme der Nachbarschaft brachte man ihn aus Heydrichs Apotheke in der Kneiphofer Magistergasse in sein Anwesen in der Altstädter Schmiedegasse. Doch dort fand er nicht die nötige Ruhe, die zu seiner Genesung so wichtig war, was Carlotta bei ihrem Besuch am nächsten Tag sofort ins Auge fiel. Zwar drangen die besorgten Mitbürger nicht bis zu Keplers prunkvollem Bett im zweiten Geschoss vor, dennoch rissen die Störungen auch dort oben nicht ab. Marthe, die altgediente Wirtschafterin, kam unter immer neuen

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