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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Heydrich verbissen um das Privileg der Hofapotheke. Gewiss erhoffte er sich vom kurfürstlichen Leibarzt Kepler Beistand für sein Vorhaben. Tief buckelte er vor dem Physicus und wies mit zittriger Hand auf das Mikroskop.
    »Kaum wage ich, Euch von meinen bescheidenen Erkenntnissen mit dem Mikroskop zu berichten. Wenn Ihr die Güte hättet, verehrter Kepler, einen Blick daraufzuwerfen, woran ich seit einigen Jahren mit Hilfe des verehrten Fräulein Grohnert arbeite: Eine mehr als fünfzig Jahre alte Salbe hat ihre Mutter im Gebrauch. Die Salbe stammt noch aus dem Bestand des Meisters, bei dem die verehrte Frau Grohnert im Großen Krieg das Handwerk der Wundarztkunst erlernt hat. Mir ist wohl klar, mein Bester«, wieder verbeugte er sich, »wie argwöhnisch Ihr zu diesen Fertigkeiten steht. Doch diese Salbe wird auch Euch eines Besseren belehren, davon bin ich überzeugt. Leider fehlt uns die genaue Rezeptur, und so versuchen wir seit langem, all den Geheimnissen der besonderen Mischung und Zubereitung auf den Grund zu gehen. Wie es scheint, sind wir gut und gern kurz davor, den Durchbruch zu schaffen. Umso größer ist uns die Ehre, das in Eurer geschätzten Gegenwart zu tun.«
    Er machte dem Medicus den Weg zum Salbentrog auf dem großen Arbeitstisch frei. Zögernd nur trat Carlotta beiseite. Im Rückwärtsgehen stieß sie gegen Christoph. Noch bevor sie ihm ausweichen konnte, fasste er kurz nach ihrer Hand und drückte sie unauffällig. Die Wärme durchfuhr sie wie ein Blitz. Gerührt suchte sie seinen Blick. Die Fremdheit der letzten Tage schien wie weggeblasen. Caspar Pantzer hatte recht: Sie waren füreinander geschaffen! Daran vermochte selbst der griesgrämige alte Kepler nichts zu ändern.
    »Das sieht aber noch lange nicht nach einer Salbe aus, mein Bester, eher wie ein Leim, um das Holz der Stühle besser beisammenzuhalten.« Er warf einen knappen Blick in den Trog und verzog angewidert das Gesicht. Noch fehlten der unscheinbaren Masse der betörende Duft und ihre charakteristische Geschmeidigkeit. Carlotta wollte ihm widersprechen, doch Christoph war einen Tick schneller.
    »Warum keinen neuen Holzleim erforschen, Vater? Schließlich kommen die besten Entdeckungen dadurch zustande, dass eigentlich nach ganz anderem gesucht wurde. Und außerdem bedarf die Menschheit auch auf dem Gebiete des Leims der Verbesserungen. Ich bin mir sicher, die Tischlerzunft wird jedwede Neuerung freudig begrüßen.« Verschmitzt lächelnd beugte er sich über den Trog und tippte mit dem Zeigefinger auf die Masse. »Mir scheint allerdings, die Zutaten sind zu edel, um zwischen Stuhlritzen zu vertrocknen.«
    Schelmisch blickte er zu Carlotta. Einen Moment verhakten sich ihre Blicke. »Wie gut, dass Apotheker Heydrich auf deine geschätzte Hilfe bauen kann, meine Liebe. Dir wird es gelingen, aus dieser schalen Masse eine wundersam heilende Salbe zu zaubern.«
    »Das Zaubern ist auf dem Gebiet der Medizin nicht gefragt, mein Sohn. Das solltest du in den letzten Jahren an den Universitäten erfahren haben.« Deutlich stand dem alten Physicus der Unmut über Christophs Worte im Gesicht, noch mehr aber schien ihm zu missfallen, wie nah sein Sohn und Carlotta sich wieder gekommen waren. Brüsk drängte er sie beiseite.
    »Das ist eben der entscheidende Unterschied zwischen der Medizin und der Wundarznei. Oder sollte ich besser Wund er arznei sagen?« Eindringlich sah er Carlotta an. »Gerade die Rezepturen aus Eurem Hause sind, wie es heißt, in letzter Zeit mit seltsamen Wirkungen belegt. Hat Eure Mutter nicht den armen Gerke versorgt? Eine Bernsteinessenz, so kam mir zu Ohren, soll sie ihm als Letztes verabreicht haben. Wollen wir hoffen, mit dieser Wundersalbe verhält es sich günstiger.«
    Er schnaufte und wandte sich jäh wieder dem Apotheker zu: »Entschuldigt das Geplänkel, mein guter Heydrich, das alles ficht Euch natürlich nicht an. Ihr habt Euch der Wissenschaft verschrieben und werdet somit auf nachprüfbare Weise der Zusammensetzung dieser angeblichen Wundersalbe auf die Schliche kommen. Nur so wird man das leidige Gerede darum in der ganzen Stadt endlich besser parieren können. Noch besser, dass Ihr diese Untersuchung im Beisein von Carlotta Grohnert unternehmt. So wird deren Mutter das nicht gleich als Angriff auf ihre Person deuten. Es ist eben einfach nur eine kritische, aber längst überfällige Auseinandersetzung mit den Grenzen der Wundarznei.«
    »Die Wundarztkunst sollte man dennoch nicht leichtfertig

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